Früher war der Fall klar: Um über die Mode Bescheid zu wissen, musste man die jeweils neuesten Modemagazine kaufen und lesen. Besonders die extradicken Frühlings- und Herbstausgaben. Die Anzeigen der grossen Marken waren darin genauso Teil der Saison-Neuheiten wie die redaktionellen Features und Fotoshootings. O B es nun i-D, Self Service, The Face, Dazed & Confused, die Vogue, Elle UK oder Visionaire war: Print gab den Ton an. Seit einigen Jahren ist das anders. Die digitale Revolution hat diese Dominanz der gedruckten Modemagazine gebrochen, neue Plattformen und Formate haben die Deutungshoheit übernommen und Trendprognosen vom diktatorischen Monolog zum Community-basierten Dialog gemacht.
Die Vielzahl der Kanäle ist enorm geworden. Statt grosser, tonangebender „Medienmarken“ gibt es in diesem Bereich heute viel mehr, aber viel kleinere Formate. Es geht auch mehr um Szenen und spezifische Subkulturen als um „die Mode“, die es in dieser Form, also als umfassendes Konzept für eine Mehrheit, kaum noch gibt. Digitale Medien haben den Vorteil, den ganzen Glamour der Mode mit Bildschirm-Luminanz zu zeigen – dagegen sieht gedrucktes Papier oft stumpf aus. Dafür verbrauchen Magazine keine Akkuleistung.
Die neuen Kanäle und Formate haben auch das Businessmodell der klassischen Modezeitschriften stark verändert. Es fehlt dort heute an Geld, das früher überreichlich in die grossen Anzeigen floss. Marken investieren heute nicht mehr einfach so blind in Inserate, sondern entwickeln eigene Medienformate, Kanäle, Communities und versuchen, ihre Follower auf Social Media professionell bei Laune zu halten. Instagram spielt dabei eine besondere Rolle, wie mein Lieblings-Fachportal „Business of Fashion“ kompetent zu erzählen weiss.
Mich erreicht im Zusammenhang mit diesem sich stark veränderten Markt und der neuen Mediennutzung immer wieder die Frage: Was soll man noch lesen, um up-to-date zu bleiben? Welche Formate, Titel, Kanäle und Multiplizierer muss man kennen und anschauen? Wo entsteht das Neue?
Die Antwort ist: Ich weiss es selber nicht mehr so richtig. Es ist unübersichtlich geworden. Ich scanne permament Facebook und Instagram und versuche meine Timeline so zu „kuratieren“, dass sie relevant scheint. Ich habe verschiedene Newsletters abonniert, die mich täglich erreichen, aber doch oft überfordern. Blogs habe ich sehr geliebt, als sie aufkamen, doch heute schaue ich sie kaum noch an, weil ich den meisten misstraue. Viele haben ihre Authentizität zu leichtfertig verkauft. Ich schaue auch noch manchmal am Kiosk vorbei, bin dort aber meistens ratlos. Vieles scheint gekauft und von Interessen gesteuert – und ist es wohl auch. Dabei bin ich mir sicher, dass es in dem riesigen Salat von allesamt gleich aussehenden Mode-, Lifestyle- und Frauenzeitschriften noch immer welche gibt, die es besonders gut machen und lesenswerten Inhalt drucken. Allerdings es gibt keinen Titel mehr, dem ich derart blind folgen würde, dass ich mir ein Abo leisten würde. Ich picke situativ einzelne Ausgaben heraus.
Ich arbeite derzeit mit einer Gruppe von Studenten aus den Bereichen Grafik, Mode und Fotografie der F+F in Zürich an dem Thema. Wir wollen eine Matrix entwickeln, die als brauchbarer Fashion- und Style-Radar funktioniert. Eine Art „Menu“ der Medienformate, denen zu folgen sich lohnt. Am besten ist es dann, diesen Titeln oder Kanälen auf Social Media zu folgen und so einen permanenten Feed zu haben, was aus deren Sicht relevant ist. Und vielleicht wird man dann und wann zum Kiosk gehen und eine gedruckte Ausgabe in die Hand nehmen. Vielleicht aber auch nicht. Denn wer zahlt heute noch Geld für Inhalte? Wo doch sogar guter Content heute umsonst und überall herumliegt.
Vielleicht sollte die Frage aber auch an die Leser dieses Beitrags gehen: Wer hat noch einen Favoriten, den zu erwähnen oder gar zu kaufen sich lohnt?
Joachim Schirrmacher | Wie die Digitalisierung die Mode revolutioniert
[…] Golden Girls (ein paar bloggende Männer gibt es auch) nehmen seit heute Geld für ihre Dienste. Mit der Kommerzialisierung wurde aus frischer Authentizität oft naive Begeisterung bis zur unverhoh…. Es folgten die Online-Händler mit „Shoppable Inspiration“: Unterhaltung rund um die Mode. Das […]
Kaya
Das (neue) Motto lautet: Weniger konsumieren, Mehr selbst denken und reisen … Toller Artikel – thanks for sharing! Gruss aus NYC, Kaya