Ich bin keine Stilfreak, lege aber Wert auf gutes Schuhwerk. 3 bis 4 Paar gute (rahmenganähte) Schuhe im Schrank sind ein Muss. Nun ist es aber seit Jahren ein Desaster mit dem Schuhkauf. Bally-Schuhe haben nach 18 Monate ein Loch in der Sohle, moderne Konzepte von ‚Massschuhen‘ sind gut, in der Umsetzung aber lausig, so haben für CHF 500.- gekaufte Modelle etwa zu kurze Schuhbändel und noch Kleberreste an der Sohle. Kurzum, ich werde im Moment mit keinem Anbieter glücklich. Wozu rät der Stildoktor? Christophe G.
Der Stilsheriff ist im Gegensatz zu Ihnen ein Freund von guten Schuhen UND ein Stilfreak. Und hat als solcher den Schweizerischen Schuhhandel aufgegeben. Traurig, aber wahr. Es traut sich ja keiner mehr, Qualität zu verkaufen und den dafür notwendigen Preis einzufordern. Praktisch überall steht nur noch mittelmässige Fashion-Durchschnittsware. Es ist, wie Sie richtig feststellen, ein handfestes Desaster. Welches aber auch die Konsumenten mitverursacht haben, die glauben, dass man für achtzig Eier ein Paar Schuhe bekommen müsste. Die Leute bekommen jetzt den Mist, den sie verdienen.
Ihr Urteil zu Bally ist natürlich hart. Ich hatte gehofft, dass wenigstens deren ‚Scribe‘-Linie noch etwas taugt. Aber ich kann es Ihnen nicht bestätigen, denn ich habe seit Jahren keine Schuhe mehr von der Marke gekauft. Sie war einst die Krone der Schuhmacherskunst, doch heute ist sie irgend eine beliebige Luxusmarke mit austauschbarer Ästhetik. Irgendwie interessiert mich Bally nicht mehr, und das gute Schweizer Feeling, das die Marke aus Schönenwerd (heute Caslano) einmal gratis mitlieferte, ist auch verpufft. Schade.
Dafür schlägt mein Herz seit einigen Jahren wie wild für eine andere Traditionsmarke: Church’s aus Northhampton. Die stellen nicht nur wunderschöne und modisch kompetente Herrenschuhe her, sondern haben auch das Thema Qualität noch im Griff. Sicher sind die Schuhe mit Preisen zwischen 370 und 900 Euro nicht billig, doch ich kann ihnen aus Erfahrung berichten, dass Church’s-Schuhe lange, lange halten und auch dem Schuster eine Freude machen, wenn Sie ihm ein Paar zum Reparieren bringen. Ich bringe meine jeweils zu Diego Faccani nach Schaffhausen, der ein Künstler ist. Er macht aus meinen oft elendig geschundenen Tretern wieder praktisch neue Preziosen. Übrigens verkauft Faccani auch gute Schuhe, und zwar die von Crockett & Jones, auch aus England. Für mich einen kleinen Tick zu klassisch, aber qualitativ prima.
Schaffhausen, hm… Und wo sonst? Natürlich zu Dee Cee Style am Talacker in Zürich – die haben auch Church’s, und auch sonst ein paar tolle Dinge, etwa Mark McNairy. Sonst vielleicht noch zu Grieder nach Zürich, für Santoni. Und sonst halt nach St.Moritz zu Church’s, oder grad ein Stück weiter, nach Mailand, wo die Auswahl viel besser ist. Die Boutique dort, an der Via Sant‘ Andrea, die ist wirklich ein Ort, in dem ich zur Unvernunft neige.
Schliesslich noch ein letztes, halbwegs versöhnliches Wort zur Schweiz: Navyboot kriecht derzeit zu Kreuze und tut Busse für all den Fashion- und Luxus-Mist, den die Marke in den letzten Jahren gebaut hat. Man hat dort spürbar an der Qualität gearbeitet, vor allem an der exklusiveren ‚Cheaney‘-Linie. Ich wage zu behaupten, dass man bei Navyboot derzeit den Schuh mit dem besten Preis/Leistungsverhältnis bekommt. Ob man die Marke auch mag, ist wieder ein anderes Thema…
J.C.
Was für Tips haben Sie zu schöne Schuhe ohne Leder? Es scheint nur billige und/oder hässliche Schuhe aus nicht tierischer Produktion zu geben.
Jeroen van Rooijen
Das sehe ich nicht ganz so: Im Sommer kann man ganz tolle Schuhe aus Textilien tragen. Es gibt auch fantastische Sportschuhe ohne Leder – Nike strickt sogar Schuhe! Im Winter wird’s schwieriger. Da landet man dann eher bei den sportlichen Modellen. Ich bin aber sicher, dass wir da in den nächsten Jahren noch neue Ideen sehen werden. Es wird auch lederfreie uund gar vegane Schuhe geben, die nicht nach Büsser-Chic aussehen.
therhapsodicmagpie
Wie sieht es denn eigentlich mit der Qualität der Risch-Shoes in durchgenähter Machart aus? Würden Sie diese auch uneingeschränkt empfehlen, so wie Church’s oder die anderen oben genannten?
Jeroen van Rooijen
Dominik Risch ist ein Fachmann, der weiss, was er tut – seine Schuhe sind von guter Qualität, das Halbmass-Konzept mit dem Scanner ist innovativ und kann deshalb gewiss empfohlen werden!
Pipo Pollone
Was ist mit Ludwig Reiter?
Jeroen van Rooijen
Ludwig Reiter schätze ich sehr, wenngleich mir die Österreicher für schwere, eher robuste Freizeitschuhe eher ein Begriff sind als für feines Business-Schuhwerk. Ich weiss zwar schon, dass Reiter auch fein kann, aber für mich hat sich die Marke vor allem mit dem Stiefeltyp des ‚Marronibraters‘ unsterblich gemacht!
Walter Schärer
Die Massschuhe von Dominik Risch sind absolut zu empfehlen. Ich habe 5 Paar davon im Schrank und sie gehören zu den allerbequemsten (und schönsten) meiner Treter. Dass man sie bequem online bestellen kann, weil mein „Fussabdruck“ digital 3D hinterlegt ist, macht die Chose noch besser!
Jeroen van Rooijen
Man lese hierzu auch gerne meinen NZZ-Artikel von vergangener Woche zum Wert von guten Schuhen: http://www.nzz.ch/maennerschuhe-was-darf-ein-schuh-kosten-1.18607345
Alexandre
Hallo Jeroen, danke fuer den Blog und die interessante Ausfuehrung! Bin selber treuer Kunde von der dänischen Schuhmarke Ecco, das sind vielleicht etwas langweilige, aber immer durchweg solide Schuhe. Bally hatte ich auch mal probiert, da stimmt das Preis-Leistungsverhältnis nicht so ganz meiner Meinung nach, ein bisschen zu teuer fuer dermassen normale Schuhe.