Music & Fashion

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Unter dem Titel «Jeder Sound hat seinen Look» ist im Herbst 2020 ein längerer Text von mir über die Wechselwirkung von Mode und Musik beim deutschen Magazin «Flair» erschienen – ein inspirierender Tanz durch sechs Jahrzehnte der Popmusik.

Eine mit Logos bestickte Oversize-Jacke und eine weite Hose aus cremefarbenem Tweed, dazu mit Markenzeichen dekorierte Spitzenhandschuhe und gebrandete Sneakers – der Auftritt von Billie Eilish an der Oscar-Nacht im Februar 2020 war ein historischer. Auch bezüglich der jahrzehntelangen Beziehung von Mode und Musik. Es ist nicht bekannt, was sich Chanel diesen Auftritt der Pop-Queen hat kosten lassen – klar ist aber, dass sich das Investment für das alteingesessene Pariser Modeimperium gelohnt haben wird. Denn für die jungen Pop-Fans von heute – und damit für die kaufkräftigen Konsumentinnen von morgen – ist die Marke Chanel ein «Must-have». Wer es sich irgendwie leisten kann, braucht mindestens einen Nagellack, besser aber eine Handtasche mit dem Doppel-C.

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Chanel spielt das Spiel mit den Popstars seit einiger Zeit mit einiger Konsequenz. In der ersten Reihe der Chanel-Shows sitzen mehr Musikerinnen, Rapper und Selfmade-Social-Media-Superstars als sonst irgendwo. Die Musiker danken es der Marke mit entsprechenden Huldigungen: Pharrell besingt «Chanel», Drake braucht «No Stylist», um an der Rue Cambon einzukaufen, Frank Oceans interpretiert in «Chanel» das Logo als eine modernes Yin und Yang und auch Teenie-Idol Yung Hurn widmete dem «Doppel-C» einen Track.

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Label-Namedropping in Mode

Chanel ist hoch im Kurs, aber auch andere Brands sind Themen aktueller Pop- und Rap-Tracks: Kanye West hatte 2010 schon den «Christian Dior Denim Flow», Jay-Z besang 2013 den US-Designer «Tom Ford», der Track «Fashion Killa» von Asap Rocky (2013) liest sich wie das Markenverzeichnis eines ganzen Luxus-Kaufhauses, bei Bruno Mars rollte sich ein Mädchen 2017 in «Versace on the floor» und Lil’ Pump gründete im gleichen Jahr noch eine «Gucci Gang». «Der Popstar ist von der Führungskraft zum Vorführer geworden, vom Fahrer zum Vehikel» beschrieb Silke Wichert den Wandel 2016 in der Süddeutschen Zeitung mit treffsicherer Boshaftigkeit.

Ganz unverhohlen flirten die Popstars mit Marken und lassen sich dafür bezahlen, deren Sachen zu tragen. Lady Gaga, Beyoncé, Katie Perry oder Nicki Minaj sind nicht nur erfolgreiche Popstars, sondern Fashion-Vorbilder. Und wenn sie die Ambition dazu haben, brauchen Popstars nur mit dem Finger zu schnippen und werden gleich selbst zu Modemachern. Gwen Stefani lancierte schon 2004 ihr Label «L.A.M.B», Kanye West gibt es seit geraumer Zeit auch als «Yeezy» zu kaufen, Rihanna nun auch als «Fenty», Pharrell Williams lädt seine Fans in den «Billionaire Boys Club» und Ex-Spice-Girl Victoria Beckham hat sich komplett vom Popsternchen zur gefeierten Designerin verpuppt. Sie geniesst in dieser Rolle inzwischen den Respekt der Branche.

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Produziert, um den Zeitgeschmack abzubilden

Musiker werden also ganz leicht Modemacher – allerdings sind bisher kaum Modedesigner zu Popstars geworden. Jean-Paul Gaultier hat es auf dem Höhepunkt seiner Karriere einmal versucht – mit der Single «How to do that» beschrieb er 1989, wie er zum Erfolg kam – und vor kurzem tat sich der unlängst verstorbene Karl Lagerfeld mit Rondo Parisiano in «Something A La Mode» noch als Sprechsänger hervor. Es müsste also noch mehr in dieser Art folgen. Man kann sich vorstellen, dass Jacquemus einen Song veröffentlicht, der zum Szene-Hit wird. Es wäre denkbar, dass Raf Simons mit Kraftwerk auf Tournee geht. Oder Alessandro Michele (Gucci) zusammen mit Devendra Banhart eine neue Psychedelic-Glamrock-Band gründet.

Das alles wäre kaum erstaunlich. Denn Mode und Musik haben viel gemeinsam. Beide sind Ausdruck eines unmittelbaren Zeitgefühls. So wie sich die Hosenschnitte ändern, ändern sich die Beats und Melodien. Popmusik wird, wie es der legendäre britische Musikproduzent Trevor Horn in seinem Buch «Pop Music – Technology & Creativity» schreibt, «wie Mode entworfen, hergestellt und vermarktet und erzeugt oft obsessive Begeisterung.» Und wie die Popmusik oft ihre Launen und Richtungen ändert, tut es die Mode – sie ist an nichts ausser den Moment gebunden. 

Aus Katie Barons „Fashion & Music“ (Quelle: Amazon)

Aus Katie Barons „Fashion & Music“ (Quelle: Amazon)

Stilvorbilder & Trendsetter

Dennoch kristallisieren sich in der Rückblende oft erstaunlich klare Muster heraus. Jeder Sound hat seinen Style. Wie von der Musik einer bestimmten Epoche haben die meisten Menschen ein recht klares Bild von der Mode einer Zeit – beide bedingen sich, ja können ohne einander gar nicht. Den Sound der Fifties, Sixties, Seventies, Eighties oder auch späterer Dekaden kann man sich gar nicht losgelöst von den damals gerade angesagten Looks vorstellen. Eine Jeans von 1969 sieht anders aus als eine von 2005 – und das nicht nur des technischen Fortschritts wegen, sondern weil sie anders «klingt». Das Kleidungsstück transportiert ein Stück Zeitgeschichte. 

Es gab in allen Zeiten immer wieder epochale Musiker, welche die Mode ihrer Zeit derart geprägt haben, dass sie zu Fashion-Ikonen stilisiert wurden. Waren es in den jungen Jahren der Popkultur noch die Leinwandhelden, die den Style der Kids beeinflussten, so wurden später immer mehr die mit Mikrofonen und Gitarren bewehrten Chartstürmer zu Modevorbildern.

Quelle: Amazon

Gaultier war in den 80’s auch Popstar. (Quelle: Amazon)

50‘s, 60‘s und 70‘s

Marilyn Monroe war in den 50’s nicht nur als Schauspielerin das Mass aller Dinge, sondern auch als Sängerin – und selbstverständlich als Stilikone. Von Brigitte Bardot und Sophia Loren sind ebenso unvergessliche Filme wie Tonträger erhalten. Diana Ross war in den 60’s so sehr ein Postar wie ein Modevorbild – dasselbe gilt für Jane Birkin, Nancy Sinatra oder Cher. Die Musik gab der Mode immer schon den Takt vor – und die Mode gab der Musik einen Look: Die Beatles wären ohne die Anzüge ihres Schneiders Dougie Millings ebensowenig eine coole Truppe gewesen wie die Rolling Stones ohne die Kreationen von Ossie Clark. 

An die Namen von David Bowies Schneider – sie hiessen Freddie Burretti, Michael Fish oder Kansai Yamamoto – erinnern sich nicht mehr viele, an seine Looks aber sehr wohl. Geschickt balancierte Bowie zwischen Mann und Frau, in legendären Bühnenkostüme, die sich in die kollektive Erinnerung eingebrannt haben. Bis heute zitieren zeitgenössische Designer wie Alessandro Michele, Hedi Slimane, Raf Simons, Haider Ackermann, Dries van Noten oder Jean-Paul Gaultier das Stil-Erbe von David Bowie. 

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80‘s & danach

Wie bei Bowie war es später auch bei Prince das Überschreiten der Geschlechtergrenzen, das für Aufsehen sorgte. Der kleine Mann aus Minneapolis war ohne Zweifel ein genialer Musiker – doch war er immer auch ein herausragendes Modephänomen. Lange, bevor es dafür Begriffe gab, war Prince «gender-fluid». Er beeinflusste die Damenmode fast mehr als die der Männer. In seinem Fahrwasser entstand ein neuer Style – man denke an den überreichen Look von Sheila E., Apollonia Six oder den Bangles. Prince’s Stil findet man bis heute in der Mode von Balmain, Versace, Matthew Williamson oder Henry Holland.

Prince löste den Glam Rock ab, ein Phänomen der Seventies – übrigens auch ein Genre, das «fashion-obsessed» war. Man denke an Bands wie Kiss. Die Achtziger waren ein eigentliches Fashion Festival der Musikgeschichte. Die Hymnen dazu: natürlich «Dressed for success» von Roxette sowie ZZ Top mit dem «Sharp Dressed Man» – ein Lied, welches das ganze Arsenal eines maskulinen Glamour-Outfits auffächert. In Wien sang Falco davon, wie wichtig der Look für seine «Helden von heute» war: «Wir haben den Fuß am Gas und die Mode fest im Griff, uns entgeht kein letzter Schrei, unser Outfit hat den neuesten Schliff…», in Paris formte Jean-Paul Goude die jamaikanische Amazone Grace Jones zur Mode-Ikone und in London gab Designer Anthony Price Kraftwerk, Bryan Ferry und Duran Duran den sexy Style der Zeit.

(Quelle: We are Hiphop)

(Quelle: We are Hiphop)

Designer, die der Musik einen Look gaben

Seit den achtziger Jahren sind die Stylisten und Modemacher im Dienste der Popstars auch nicht mehr nur stumme Dienstleister im Hintergrund, sondern selber Superstars. Mit Madonna stieg der Stern von Jean-Paul Gaultier und Vivienne Westwood bekam durch den Punk der Sex Pistols enorm Schub. Tommy Hilfiger schnappte sich früh die immer populärer werdende Hip-Hop-Community und wurde selber zum Superstar und irgendwann kam der deutsche Sportartikelhersteller Adidas ins Spiel, stattete Run DMC aus – und wurde dafür von der Band mit dem Hit «My Adidas» belohnt. 

Für die Aufrechterhaltung der Credibility eines Rockstars galt es in früheren Zeiten als gut und richtig, dass er zwar mit der Mode spielen und flirten, sich aber nicht von ihr instrumentalisieren lassen darf. Bis und mit Kurt Cobain (Nirvana), 1994 viel zu früh aus dem Leben geschieden, hielten sich die grossen Helden ihrer Zeit an dieses ungeschriebene Gesetz. Nirvanas grösste Hymne, «Come as you are» (1991), lässt sich auch als Ablehnung der Mode-Fixiertheit jener Ära, die eben zu Ende gegangen war, interpretieren.

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Grunge und Normcore

Die prägenden Musikstile der 90’s, etwa Brit Pop, Grunge und Rave, hatten alle einen sehr spezifischen Look – der aber, wohl als Reaktion auf die 80’s, eher durch Ablehnung von Modebewusstsein und Glamour auffiel. Es entstand ein neues Mode-Spielfeld: Clubwear, eine Mischung aus Street- und Sportswear, betont casual, ja fast ein Vorläufer der späteren Normcore-Mode. Auf der anderen Seite des musikalischen Spektrums stand der industrialisierte Pop mit Eurodance, Girl-Bands (Spice Girls, Sugababes, Destiny‘s Child) und Boy-Groups (Backstreet Boys, Take That, Caught in the Act).

Heute  leben wir im Zeitalter von Instagram, Sampling und Pop-Recycling – es fliegen einem die Fashion-Zitate folglich nur so um die Ohren. Im Eilzugtempo werden die Hits vergangener Jahrzehnte durch den Beat-Computer gejagt und die Genres verquirlt – im deutschen Rap fusionieren etwa die Kategorien Gangsta-Rap und Schlager. 15-jährige tragen heute Band-Shirts von Def Leppard, Motörhead, Kiss oder Deep Purple – die Musik dieser Bands kennen sie nicht, aber die Styles und Schriften sind cool. – Darf man das? Aber ja. So lange die Musikindustrie, noch immer paralysiert von der Implosion des Tonträger-Geschäfts, keine neuen Raketen zündet, die ein ganzes Jahrzehnt prägen, begnügen wir uns fröhlich mit dem Aufwärmen des Bisherigen.

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30 Liederaus sieben Jahrzehnten, die sich um Mode drehen

In der Popmusik geht es oft um grosse Gefühle – Herzschmerz, Sehnsucht, Leidenschaft, Freiheit, Heldentum. Nicht selten war und ist aber auch die Mode selbst Gegenstand der Popmusik. Zahllose ikonische Songs aus sieben Jahrzehnten Pop- und Rockgeschichte handeln direkt von Kleidung, Accessoires, einem bestimmten Style oder der Verführungskraft von Mode.

The Lady in the Tutti Frutti hat – Carmen Miranda (1943)

Buttons & Bows – Dinah Shore (1948)

Blue Suede Shoes – Elvis Presley (1956)

Bobby Sox to Stockings – Frankie Avalon (1959)

Itsy Bitsy Teenie Weenie … – Brian Hyland (1960)

These Boots are made for walking – Nancy Sinatra (1966)

Long cool woman in a black dress – The Hollies (1971)

Dedicated follower of fashion – The Kinks (1972)

Jeans on – David Dundas (1975)

Fashion – David Bowie (1980)

Helden von heute – Falco (1982)

Sharp Dressed Man – ZZ Top (1983)

Dress you up in my love – Madonna (1984)

Raspberry Beret – Prince (1985)

You can leave your hat on – Joe Cocker (1986)

Diamonds on the soles of her shoes – Paul Simon (1986)

Dressed for success – Roxette (1988)

Come as you are – Nirvana (1991)

Stockings – Suzanne Vega (1996)

The Thong Song – SisQo (1999)

Underneath your clothes Shakira 2001

Fuck me Pumps – Amy Winehouse (2003)

Buttons – Pussycat Dolls (2005)

Fashion! – Lady Gaga (2009)

Louboutins – Jennifer Lopez (2009)

Blue Jeans – Lana del Rey (2011)

Thrift Shop – Macklemore & R. Lewis (2012)

Fashion Killa – ASAP Rocky (2013)

Style – Taylor Swift (2014)

Chanel – Frank Ocean (2017)

4 Comments

  • Antworten März 27, 2021

    Chris S.

    … Uriah Heep – Lady in Black; Helloween – Perfect Gentleman; Prince – Style …

  • Antworten April 1, 2021

    Chris S.

    … Madonna – Candy Perfume Girl; Juanes – La Camisa Negra; Body Count – Black Hoodie …

  • Antworten April 4, 2021

    Chris S.

    (So, jetzt muss ich dann aufhören mit allzu übertriebener Beeinflussung des Blogs. Aber das Thema ist klasse.)

    …. Count Basie Orchestra – Shiny Stockings; Prince – Diamonds & Pearls; Alice Cooper – 1000$ High Heel Shoes …

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