‚Züri dekoriert‘, so könnte das Motto der ‚Langen Nacht der Mode‘ etwas bodenständiger auch heissen. Wie das? Ein Erklärungsversuch.
Dazu müssen wir – vor dem geistigen Auge – erst einmal in die Ostschweiz zügeln. Östlich von Winterthur wird jeweils im Januar/Februar, also zur Fasnachtszeit, jede Beiz, die etwas auf sich hält, ‚dekoriert‘ und entsprechend angeschrieben. ‚Dekoriert‘ heisst im Klartext: Man hat ein paar eher aus- als angezogene Bardamen aus Österreich und Tschechien importiert und verheisst den Büezern abendliche Sexy-Gaudi. Da und dort soll auch mehr möglich sein.
So etwa funktioniert das – etwas chicer verpackt, natürlich! – auch in Zürich, wenn die ‚Lange Nacht der Mode‘ ausgerufen wird. Sie findet kurz nach der Fasnacht statt und soll den Modefrühling einläuten. Die halbe Bahnhofstrasse nimmt daran teil – freilich eher der untere Teil, also die günstigeren Läden und die grossen Warenhäuser. Am Rennweg wird eine Open-Air-Stampede mit allen teilnehmenden Geschäften organisiert. Das Volk johlt und knipst. Die besseren Boutiquen lassen indigniert die Rollläden runter.




Und dann wird der Laden auf Teufel komm raus auf Gaudi dekoriert. Bei PKZ wird Black Jack gespielt, bei Jelmoli tanzen auf den oberen Etagen junge Damen in Agent-Provocateur-Lingerie und im Erdgeschoss dehnbare Herren in Strumpfhosen und High-heels, bei Manor gibt Fernseh-Coach Bruce Darnell Kurse im Sexy-gehen und bei Big-Bazar sehen die Verkäuferinnen aus, als wären sie grad einem Western-Varieté entsprungen. Die Herren tragen neckische Hütchen und Fliegen um den nackten Hals. Überall signieren Promis irgend etwas. Und jeder Laden zieht noch irgend einen Diskjockey hervor, der ‚das Haus rockt‘ und montiert eine hollywoodmässige Fotowand, vor der die Kunden mit ihrem Gratis-Prosecco dann ausgelassene Fotos von sich selber schiessen lassen können.
Classy? Nope. Das sähe sicher anders aus. Aber offenbar halten die Schweizer Retailer die Kunden für eine Art Partyvolk, das stimuliert werden muss, um in den Kaufrausch zu kommen. Oder ihnen fallen einfach keine anderen Bilder ein als die, die stark nach dem aussehen, was sonst in der Provinz Standard ist: ‚dekoriert‘. – Wir schliessen daraus: Zürich gehört auch zur Ostschweiz. Und die Fasnacht dauert an.