Vor einigen Tagen bei NZZ.ch in der Reihe ‚Montagsklischees‘ erschienen: Ein kleines Exposé zur Frage, ob alle Zürcher Hipster sind. Die NZZ-Community, für die wir ab sofort wieder zur Hauptsache schreiben, beantwortete die Frage übrigens zu 57 Prozent mit Ja. Und das stand dort etwa zu lesen:
Zürich ist die grösste Schweizer Stadt. Neben den vielen eher mittelgrossen Zentren des Landes fühlt sich die Limmatstadt am urbansten an, und das zieht die hippen oder an Hip-Sein interessierten jüngeren Menschen aus allen Regionen an. Folglich gibt es in Zürich tatsächlich Stadtviertel – vor allem die Kreise 3, 4 und 5, teilweise auch 6 und 8 –, in denen der beschriebene Klischeetypus gehäuft sichtbar ist. Er oder sie sitzt vor der Sportbar und trinkt Cappuccino, kauft Vintagemöbel im Bogen 33, fährt ein Velo vom Zweiradgeber und shoppt am liebsten auf dem Kanzlei-Flohmi oder im VMC im Niederdorf.
Das Problem am Hipsterismus ist aber, dass er sich der Bekleidungscodes der absoluten Normalität bedient. Die Kleider und Accessoires, die jetzt Mode sind, sind oft absolute Basics. Das führt zu vielen Verwechslungen. Vermutlich sind also rund ein Drittel derer, die jetzt für Hipster gehalten werden, einfach nur Mode-Agnostiker und Langweiler aus der Vorstadt. Man muss also schon sehr genau hinschauen. Das mit den Bärten ist etwa so eine Sache: Ja, der zeitgenössische junge Mann trägt heute Bart. Man hat das bei den coolen Typen in London, Brooklyn und Berlin so gesehen und macht es jetzt auch in Zürich. Allerdings sind Hipster-Bärte inzwischen derart inflationär geworden, dass der Wind wieder dreht. Die «Tendenzbärte» (also nicht so richtig wüchsig) und «Faultierpelze» machen einer ordentlichen Vollrasur Platz, und die anderen werden länger. Will heissen: Der Hipster, der es ernst meint mit dem Bart, trägt einen möglichst buschigen Vollbart.
Mit den engen Hosen verhält es sich ähnlich: Sie sind inzwischen auch in der Agglomeration Standard, die schmalen Jeans oder Chinos bieten kaum noch brauchbares Differenzierungspotenzial. Die Folge: Die Hosen der wahren Trendsetter werden wieder weiter – denn enger geht kaum. Allerdings wird es noch etwa fünf Jahre dauern, bis die weiteren Volumen wieder mehrheitsfähig sind – die Mode ist nicht so schnell, wie man gerne glaubt, es hat ja denn auch zehn Jahre gedauert, bis schmale Hosen massentauglich wurden.
Die Jeans- und Karohemden (alternativ dazu: T-Shirts mit obskuren Aufdrucken in Form von Kreisen oder Triangeln) sind bereits wieder auf dem Rückzug. Sie haben dem kommunen Sweatshirt Platz gemacht. Dies lässt sich zum «Normcore»-Trend zählen, zu einem Fashion-Trend, der als Nicht-Stil-Stil bezeichnet werden kann. «Normcore» heisst, man trägt Kleider ohne Aufschrift, quasi ohne Schnitt, und Schuhe wie etwa Birkenstocks und zelebriert damit die Antithese des modischen Outfits.
Der Retro-Rucksack hat dagegen noch Potenzial. Zwar sind die naturfarbenen oder grellbunten Canvas-Taschen in den beschriebenen Szenevierteln schon sehr verbreitet, doch dominiert in den S-Bahnen, die täglich die Agglomerationsbevölkerung in die Stadt und wieder zurück schaufeln, noch immer der kommune Nylon-Rucksack in Schwarz. Schliesslich das Fixie: Ja, wer einen Eingänger mit Starrlauf fährt, der meint es wirklich ernst mit seinem Lifestyle. Diese wirklich unpraktischen und höllisch gefährlichen Minimal-Velos sind nach wie vor ein solides Erkennungszeichen eines Hipsters. Aber Hand aufs Herz: So oft sieht man sie nicht. Die meisten sind Fixie-Lookalikes, also Velos, die nur aussehen wie Starrlauf-Göppel. Und so ist es auch mit den Hipsters: Sicher die Hälfte der vermeintlichen Spezies ist Fake.
© Fotos: VIU Eyewear Zürich