Buy less, but better

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Ich habe mich in jüngster Zeit intensiv mit der Frage von Nachhaltigkeit & Mode beschäftigt. Denn kaum eine Industrie ist derart hemmungslos mit der Produktion von Überfluss beteiligt wie die Mode, und kaum ein Gewerbe hinterlässt dort, wo sie ihre Sachen herstellt, so viel Zerstörung, Schmutz, Ungerechtigkeit und Unfriede. Eigentlich ist es pervers: Vordergründig ist die Mode eine positiv besetzte, lebensfrohe Welt von Ästhetik und individueller Entfaltung, doch wer hinter die Kulissen schaut, sieht eine oft sehr zynische, ausbeuterische und schädliche Industrie am Werk, in  der es (wie so oft) nur um Profitmaximierung geht.

Anlass zu dieser (nicht neuen) Erkenntnis ist das Textilpodium der Zürcher „LifeFair“, an dem ich am Montagabend teilnahm. Dabei ging es um die Frage, ob eine nachhaltige Mode überhaupt möglich ist. Ich sass mit vier anderen Experten auf dem Podium des Forum St. Peter und diskutierte 90 Minuten lang – zur Hauptsache über Bio-Baumwolle. Das hatte damit zu tun, dass der Keynote-Speaker, Helmut Haelker von der Remei, das Thema setzte – und es in der Folge von Emanuel Büchlin, dem Vertreter der Coop Naturaline, vertieft wurde. Andere Aspekte als die Bio-Baumwolle wurden kaum erwähnt, obwohl es die nachhaltigste Massnahme wäre, um den negativen Impact von Mode zu reduzieren, wenn man seine Kleidung länger trüge.

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Ich mag falsch liegen, aber: Ob man ein konventionell gefertigtes T-Shirt für 9.90 Franken verkauft oder eines aus fair produzierter Biobaumwolle für 12.90 Franken, macht den Textilberg nicht kleiner. 17 Kilo Kleidung „verbrauchen“ wir pro Kopf und Jahr – das wenigste davon ist nach einem Jahr wirklich kaputt und unbrauchbar, sondern wird entsorgt, weil es nicht mehr gefällt. Das ist die Realität, und sie ist eine stossende.

Deswegen bin ich dafür, dass man nicht primär entlang von Zertifikaten und Gütesiegeln kauft, sondern auch und vor allem mit Verstand, indem man sich immer fragt: Brauche ich dieses Kleidungsstück? Wird es lange gut bleiben? Hält es ein paar Jahre? Kleidung, die dieses Kriterium erfüllt, ist oft etwas besser, teurer und exklusiver als der ganze Instant-Modemüll, der uns überall um die Ohren gehauen wird. Zwar produzieren auch teure Labels teilweise unter unschönen Bedingungen, doch sind sie in der Summe damit weit weniger schädlich und ausbeuterisch tätig als die ganzen Billigheimer, die Kleidung in rauen Mengen und zu Preisen in den Markt drücken, die einfach unanständig sind.

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Ein Beispiel dafür sah ich am Montagabend am Bahnhof Stadelhofen hängen – Katy Perry in einem schwedischen Discount-Pullover für 29.90 Franken. Das ist absurd und falsch. Man sieht am aufgeschreckten Blick des Models schon, dass es auch ihr unheimlich ist. Dass sie weiss, dass dafür jemand eine bittere Rechnung zahlen muss. Nicht das Model, nicht der Konzern, und auch nicht der Kunde, der den Billigpulli kauft. Sondern jene Männer und Frauen weit weg von hier, die den Ramsch färben, zuschneiden und nähen. Da gefällt mir das Titelbild dieses Beitrags schon besser: Die deutsche Marke „Armed Angels“ macht mit der Umkehr des „Immer-billiger“-Prinzips clever auf das Missverhältnis von Kosten und Preisen aufmerksam.

Es ist darum Zeit, dass wir weniger und besser kaufen. Dass wir uns, aber auch den Mitmenschen gegenüber ehrlich sind und zugeben, dass es nicht sein kann, dass wir für den ganzen Bekleidungsexzess, dem wir frönen, nur noch drei Prozent des Haushaltseinkommens investieren. Es liegt auf der Hand, dass jemand die zeche hierfür bezahlen muss. Der Film „The True Cost“ belegt dies eindrücklich. Wenn in der Folge eines „zivilen Aufstands“ gegen die textile Vermüllung einige dieser grausigen Ketten ihr Filialnetz straffen und Stellen abbauen müssen, scheint mir das ein annehmbarer Nebeneffekt. So können wir auch die unanasehnliche Budget-Monokultur eindämmen, die in unseren Innenstädten Einzug gehalten hat. Weniger ist mehr.

Ich weiss, dass dieser Gedanke illusorisch ist, weil zu viele Menschen zu egoistisch sind und nur an ihren Vorteil denken. Aber es wäre schön, wenn wir ein Umdenken in Gang setzen können. Vielleicht muss die Bewusstseinsbildung für textile Kultur (und Unkultur) schon in der Schule beginnen. Buy less, buy better. Weil es nicht nur einem selbst mehr Freude macht.

5 Comments

  • Antworten Dezember 16, 2015

    Marc Schmid

    Ein toller Beitrag, der die Problematik voll auf den Punkt bringt!
    Heute geben die Leute ihr Geld primär für drei Dinge aus: Haus, Auto, Ferien. Und dafür verschuldet man sich bis in die Existenzangst und zurück. Aber wenn jemand mehr Geld für gute Kleidung ausgibt, wird sie/er sogleich als Snob bezeichnet, die/der es auf der hohen Kante hat.
    Gute Kleidung, und im Übrigen auch viele andere (Konsum-)Bereiche im Leben, haben vor allem mit einer Sache zu tun: Wertvorstellungen. Und an denen mangelt es in unserer Gesellschaft mittlerweile ganz gewaltig. Da ist es schön, dass teilweise auch wieder entgegengesetzte Bewegungen auszumachen sind.

  • Antworten Dezember 16, 2015

    Jeroen van Rooijen

    Danke lieber Marc – I fully agree with your point.

    • Antworten Dezember 21, 2015

      Wolfgang Fitz

      Guter Beitrag
      Es fehlt an wirklich guten und langlebigen Stoffen und guten Schnitten. Die Lösung liegt effektiv darin endlich wieder wertige Kleidungsstücke zu finden mit Langzeitcharakter von welchen ich mich nur ungern wieder trennen will.

      … und es soll auch nicht immer diesen Uniform-Anzug-Charakter mitgeschleppt werden. Die Zukunft hat nun einmal begonnen. Geschickte Kombinationen sind gefragt. Sitz, Funktion, Haptik, Erscheinungsbild … so ein interessantes Feld.

      Persönlich finde ich zB. Boris Saberi’s Ansätze ganz spannend.

      Gruess aus Bern

      • Antworten Dezember 22, 2015

        Jeroen van Rooijen

        Danke nach Bern, lieber Wolfgang. Es findet ein Umdenken statt. Zwar erst bei ein paar wenigen Pionieren, aber immerhin. Der Mainstream wird noch mindestens 20 Jahre brauchen, um zu verstehen, dass Kleidung auch ein Ausfruck von Haltung ist.

  • Antworten Januar 31, 2016

    Dirk

    Unter jungen Leuten ist, glaube ich, ein schwacher Trend nach Authentizität und Handwerk in der Kleidungsbranche festzustellen. Auf der Savile Row in London tummeln sich allenfalls viele Zwanziger aus ganz Europa, die nur gekommen sind, das Handwerk zu lernen. Das sah dort vor 10 Jahren ganz anders aus! Eine Schweizerin hat ebenfalls Fuss gefasst und arbeitet unter anderem für Maurice Sedwell, einem der besten Schneider:

    http://www.tagblatt.ch/aktuell/wirtschaft/tb-wi/Die-Schneiderin-vom-Bodensee;art149,4278072

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