Mode Suisse Edition 9 – my view

mode suisse edition 9 2016 zurich migros museum fuer gegenwartskunst by alexander palacios

Kaum ist der letzte Trommelschlag verhallt, der letzte Goodie-Bag eingesammelt und der letzte Scheinwerfer verlöscht, geht – noch während des Herumstehens am Ort – das Orakeln los: Wie war das nun, wie fandest Du es, wer war dein Favorit, wer hat das Zeug zum Star, wann schafft dieser oder jener den Durchbruch, oder: Braucht die Welt das alles überhaupt?

Die Rede ist von der neunten „Mode Suisse“, der wichtigsten Mode-Talentplattform des Landes, was Schweizer Modeschaffen betrifft. Sie fand am Montagabend, 8. Februar 2016 im Migros Museum für Gegenwartskunst in Zürich statt. Zehn Labels zeigten ihre aktuellen Kollektionen. Die Show dauerte etwa eine Stunde, sie wurde intoniert vom Bündner Schriftsteller Arno Camenisch, der zu Beats des Thuner Komponisten Julian Sartorius sprach – eine faszinierende Performance, die für sich eine Show hätte sein können! Organisiert und choreorgrafiert wurde die neunte „Mode Suisse“, wie schon die acht Edition davor, vom Produzenten und Mastermind Yannick Aellen.

mode suisse edition 9 2016 zurich migros museum fuer gegenwartskunst by alexander palacios

Zwei der stärksten Kollektionen dieser Edition: huber egloff (links) und enSoie (rechts. Migros Museum für Gegenwartskunst, ©by alexander palacios

Traditionsgemäss erscheint nach der „Mode Suisse“ auf dieser Seite jeweils eine kleine Rezension überdas, was gezeigt wurde. An diese Tradition möchte ich auch dieses Mal anknüpfen. Allerdings ist die Besprechung, die nun folgt, mit einem gewissen Vorbehalt behaftet: Ich bin in diesem Jahr über verschiedene Aktivitäten mit der „Mode Suisse“ verbandelt. Wir haben derzeit eine Auswahl der Labels in unserem Pop-up-Store „Cabinet“ im Viaduktbogen 2 in Zürich – und hoffen natürlich, diese auch gut zu verkaufen. Ich wäre also ein Trottel, in dieser Situation zu hart über die Designer zu urteilen. Ausserdem habe ich die „Mode Suisse“ stellenweise kommunikativ begleitet, und ich weiss: Man beisst nicht die Hand, die einen füttert.

Ich will also für einmal nicht primär über einzelne der gesehenen Kollektionen schreiben, sondern eher über das Ereignis an sich, das einen  wichtigen Professionalisierungsschritt gemacht hat. Der Ort, an dem es stattfand, ist hervorragend für eine solche Show geeignet: Die grosszügigen Räume des Migros Museums geben der „Mode Suisse“ einen Rahmen, der dem Event eine gewisse Würde und Klarheit verleiht. Auch hält der Ort vieles aus, was die Kreativität der Kollektionen betrifft – man kann hier ebenso minimalistische Schlichtheit wie totale Verrücktheit inszenieren, und beides passt. Das Licht war gut, das Seating nicht zu beengt, die Übersichtlichkeit tat der Sache sehr gut. Auch hatte ich das Gefühl, dass der VIP-Cocktail vor der Show von den geladenen Gästen sehr geschätzt wurde und dem für die Branche so wichtigen Networking zuträglich war. Manch einer nannte danach die Edition 9 die beste bisherige Mode Suisse.

Der Ort gab den Kollektionen einen starken Rahmen – was unvermeidlicherweise die Frage aufwirft, ob die Kleider diesem Rahmen auch gerecht wurden. Ich will keine einzelnen Namen nennen, meine aber sagen zu können: Teils taten sie es, teils auch nicht ganz. Naturgemäss kann man von zehn Designern nicht jeden gleich gut finden. Einen eindeutigen, herausragenden Superstar gab es nicht, aber jeder hatte irgendwie sein Gutes, auf seine Art. Und das will ich hier gerne hervorheben.

Am stärksten – konzeptionell und visuell, aber auch vom Gefühl der Zeitgeist-Immanenz, waren die Labels enSoie und huber egloff. enSoie dekliniert sein gut etabliertes Ethno-meets-Casual-Thema cool weiter, auf der „route de la soie“. Das Duo huber egloff hat einen internationalen Fokus und ein waches Auge für eine moderne, schnörkellose Feminität – auch prima.

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Adrian Reber (links) und Julian Zigerli (rechts). © by alexander palacios.

Bei Adrian Reber mag ich die Stricksachen immer sehr gerne – in dieser Disziplin ist der Ex-Bernbieter und Neu-Jurassier ein Meister. Toll waren aber auch die umfunktionierten Militärdecken, mit denen Reber Upcycling macht. Julian Zigerlis Kollektion wirkt dagegen einen Tick jünger und spielt geschickt die Klaviatur der Hipness – auch dieses Mal hatte er seine typischen, intensiven Prints und plakativen Farben im Programm. Bestes Accessoire: Die Wildleder-Taschen in Form von stilisierten Hunden.

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HEAD Geneve (links) und Iahai (rechts. © by alexander palacios

Eine angenehme Überraschung waren die Präsentationen dreier Absolventinnen der Genfer Modeschule HEAD. Hier sind Experimente und Visionen drin, die dem Anlass eine kühne Note geben, auch wenn natürlich nicht viel davon wirklich marktreif ist – doch das darf man von Studenten-Kollektionen auch nicht wirklich verlangen. Die dritte Kollektion von Flaka Iahaj alias Iahai war in sich sehr kohärent – nach den Pompons und dem Häkelwerk übernimmt jetzt der Strick die Hauptrolle. A name to watch!

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Blank Etiquette by Tosca Wyss (links) und Claudia Zuber (rechts). © by alexander palacios

Etwas verhaltener und weniger „auffällig“ die Präsentationen von Tosca Wyss (auch mit Männermode) und das Angebot von Claudia Zuber – letzteres in sehr gedeckten Farben. Keine Mode, die sofort Aufmerksamkeit fordert, dafür aber etwas mehr „hanger appeal“ hat – so nennt man die „Attraktivität am Kleiderbügel“ oder am Point-of-Sale. Auch kein unerhebliches Argument, denn von Schlagzeilen alleine lebt man auch als Jungdesigner nicht.

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Lyn Lingerie (links) und Steinrohner (rechts). © by alexander palacios

Den grössten „Show-Effekt“ hatten aber wohl die beiden Kollektionen, die an der diesjährigen Mode Suisse ganz am Anfang der Präsentation standen: die modern-sinnliche Wäsche von Lyn Lingerie aus Zürich und die teils hochkomplizierten handwerklichen Applikationen von Steinrohner, eines noch sehr jungen, aber ambitionierten Duos aus Berlin/Zürich.

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