Wie sollte ein Anzug derzeit aussehen?

Photo: Andrea Monica Hug

Mit grosser Spannung habe ich jeweils ihre Beiträge im Magazin „Stil“ in der „NZZ am Sonntag“ gelesen. Auch habe ich das Buch „Der Dresscode“ gelesen und brauche es gerne als Nachschlagewerk. Nach meiner Ausbildung ist es nun bald soweit und ich starte als Privatkundenberater im September in Zürich. Da ich mein letztes Studiensemester in Kapstadt verbringe, habe ich die Möglichkeit, mir hier einen preiswerten Massanzug anfertigen zu lassen. Damit mein Anzug nicht gleich aus der Mode fällt, würde ich von Ihnen gerne wissen, auf welche Eigenschaften ich schauen soll – dies im Bezug auf Breite und Art des Revers, Anzahl Knöpfe, Taschen, Bundfalten, Stoffart, Schlitze am Rücken, Doppelreiher ja/nein, Veste etc. Und worauf achte ich bei einem auf Mass geschneiderten Hemd? Ich bevorzuge grundsätzlich einen taillierten italienischen Schnitt.  Der Schneider, den ich mit meinem Outfit beauftragen will, heisst übrigens „Frank Bespoke“. Freundliche Grüsse aus Südafrika, Dominic D.

Grundsätzlich fände ich es natürlich besser, wenn Sie Ihr Geld nicht in Südafrika investieren, sondern es aufsparen, um nach ihrer Rückkehr bei AP&CO in Zürich einen Massanzug zu machen – dann hätte ich auch etwas davon. Und wir könnten uns vor Ort über alle Details unterhalten. Aber ich sehe auch ein, dass sie nach ihrer Rückkehr gleich loslegen wollen und nicht erst sechs Wochen warten mögen. Also erteile ich Ihnen meinen Segen, bei Frank Bespoke vorstellig zu werden. Er sieht hip aus, wenn ich seine Webseite besuche. Und wenn er ein ehrenwerter Vertreter seiner Zunft ist, wird er Ihnen sicher dasselbe sagen, wie ich es Ihnen nun empfehle:

Ihr erster Anzug sollte schmal, einreihig und auf zwei Knöpfe geschlossen sein. Am besten fände ich einen nicht allzu dunklen, dunkelblauen Anzug mit einem etwas breiteren Revers – die ganz schmalen Revers machen jetzt ja schon die Billigheimer, damit kann man sich nicht mehr differenzieren. Farblich lässt sich auch ein hellerer Sommeranzug denken, den man dann aber idealerweise auch in einem sommerlichen Stoff arbeiten lässt. Natürlich sollten die Nahtkanten an Revers und Abstich schön pikiert sein, nicht durchgenäht, und ich wünsche mir drei eingearbeitete Taschen mit Klappen, die man auch nach innen legen kann. Aufgesetzte Taschen würde ich nur bei einem sportiveren Jackett machen, nicht beim Anzug.

Die Ärmelschlitze müssen mindestens vier „kissing buttons“ haben und sollten aufknöpfbar sein. Nur aufgenäht ist der Horror. Der Ärmel sollte auch recht schmal sein und ein hohes, eng unter der Achsel sitzendes Armloch haben, das gibt Bewegungsfreiheit, bedingt aber ein entsprechend schmal geschnittenes Hemd, sonst hat man den gegenteiligen Effekt. Am Rücken sind zwei seitliche Schlitze schicklich, aber ich sehe auch immer öfter wieder den einzelnen, mittigen Schlitz, der auch gut aussieht. Nur ganz ohne Schlitz ist ganz pfuiteufel.

Die Hosen dazu sollten ebenso schmal sein, aber nicht zu eng: Wenn’s beim Sitzen am Oberschenkel spannt oder die Waden- und Fussweiter so knapp ist, dass sie den Anzug beim Aufstehen wieder „runterschütteln“ müssen, hat ihr Schneider mit seinem Slim-Fit-Ehrgeiz übertrieben. Dafür dürfen die Hosen neuerdings etwas kürzer sein, etwa bis zur Mitte der Ferse. Man sieht wieder mehr Aufschläge, sie sind nicht selten auch recht schmal, und das sieht gut aus. Vermutlich werden sie sich für eine Flat-Front-Hose entscheiden, aber seien sie gewarnt: Einzelne Bundfalten kommen wieder in Mode.

Ob Sie nun noch ein Gilet bzw. eine Weste dazu machen wollen, überlasse ich Ihrer Laune – nötig ist es nicht. Es sieht schnell ein bisschen nach pompösem Hochzeitsanzug aus, wenn man diese dunklen Dreiteiler trägt. Für einen „Anzug-Novizen“ ist es vielleicht auch etwas gar angeberhaft, gleich mit dem Dreiteiler zu beginnen. Dafür rate ich Ihnen unbedingt zum Mass-Hemd – dieses ist ein Privileg und eine Wohltat. Sie werden diesen Unterschied nicht mehr missen wollen. LAssen Sie das Hemd schön schmal arbeiten, und machen Sie den Rumpf ein paar Zentimeter länger, das wirkt wunder, wenn man sich bewegt. Und entscheiden Sie sich für einen nicht zu steifen, natürlich wirkenden Kragen. Das wär’s etwa? Viel Spass bei Tailor Frank!

Ein Gentleman an der Pitti Uomo Florenz im Januar 2016.

Ein Gentleman an der Pitti Uomo Florenz im Januar 2016.

 

 

 

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