Habe die Ehre, im neuen Magazin „Der Salon“ des Zürcher Modehauses Modissa (über dessen Transformation ich ja vor einem halben Jahr bereits berichtet habe) eine Männer-Kolumne schreiben zu dürfen – quasi als Abschluss dieser ganzen distinguierten Damen-Welt, die sich dort auf 40 Seiten auffächert. Die erste Folge erscheint dieser Tage – auf ISSUU ist die digitale Version schon jetzt einsehbar. Das Heft ist anspruchsvoll gestaltet und schön geworden!
Hier also für alle, die nicht zoomen und scrollen mögen, der Text aus dem Modissa-Magazin…
Ich las kürzlich in einer seriösen Zeitung ein spannendes Interview mit einem Forscher der Humangenetik. Dieser sagte sinngemäss, dass es in grauer Vorzeit mehrere unterschiedliche Menschengattungen gegeben habe, darunter Zwerge und Riesen, die dann aber – typisch für uns! – von der derzeit dominanten Spezies des Homo sapiens sukzessive ausgerottet wurden. Nur etwa drei Hauptarten hätten überlebt und sich miteinander vermischt, darunter der Neandertaler, dessen Gene sich in vielen modernen Menschen wiederfinden liessen.
Seit diese Erkenntnis publik geworden sei, häuften sich bei ihm die Anfragen besorgter Ehegattinnen, die von ihm mit einer Gen-Analyse Klarheit wünschten, wie viel Neandertaler genau in ihrem Mann stecke, so der Forscher weiter. Viele Frauen seien ernsthaft davon überzeugt, dass gerade sie mit einem besonders ausgeprägten Exemplar eines Urmenschen zusammenleben und dessen primitive Wesenszüge nach 30’000 Jahren wieder besonders prägnant zum Vorschein kommen.
Das hat, dachte ich mir zumindest, sicher auch viel mit der Kleidung zu tun. Gerade in der textilen Disziplin scheinen viele Männer noch in der Unschärfe der Urzeit festzuhängen. Sie kleiden sich zwar schon irgendwie, denn nackt kann man in unserer modernen Welt ja auch nicht herumlaufen, aber sie tun es ohne jedes Feingefühl, Begeisterung oder Raffinesse. So wie man sich halt einen Neandertaler vorstellt: Ugga-ugga. Shorts, Shirt, Schlappen und Schildmütze. Zu mehr als diesem modernen Äquivalent zum Lendenschurz scheinen viele Männer oft nicht fähig.
Dabei hat sich der moderne Mann gerade in den letzten Jahren enorm entwickelt. Das Angebot ist so vielseitig wie nie. Zeitgeist- und Modespezialisten sprechen gar von einem neuen „Mode-Zeitalter des Mannes“, das vor etwa 15 Jahren angebrochen ist und den Markt sehr belebt hat. Der neue Mann ist modebewusst, pflegt sich und achtet auf seine Figur. Was einst weibliche Domänen waren, ist heute ganz selbstverständlich auch das Territorium des Mannes. Ausserdem legt er Wert auf Proportionen und eine gute Passform. Diese gab’s früher nur beim Mass-Schneider, doch heute sind sehr gut sitzende Anzüge kein Privileg von Besserbetuchten mehr.
Also, werte Herren, gehen Sie auch wieder mal zum Spezialisten. Und finden Sie heraus, wie man sich im besten Lichte präsentiert! Zumindest technisch haben wir heute die Mittel dazu. Man vermutet zwar, dass auch die Neandertaler schon eine einfache Kleidung hatten, aber Spiegel kannten sie nicht. Und mit einer Lebenserwartung von etwa dreissig Jahren war ihnen auch nicht vergönnt, lange vom Glanz eines guten Tuches zu profitieren. Willkommen im zweihundertsten Jahrtausend der Menschheit. Nutzen wir die Vorteile der Evolution doch zu unseren Gunsten!
Das geliehene Foto im Titelbild ist vom Neanderthal-Museum, www.neanderthal.de