Sonntagsoutfit: Sebi

IMG_8258

Diese Folge des Sonntagsoutfits – erschienen am Sonntag, 31. Juli – hat einige Menschen mehr auf- statt angeregt. Ich bekam einige Kommentare, die meinten, dass das, was da zu sehen ist, „kein guter Stil“ sei. Dass das Outfit von Sebi Kunz doch nichts besonderes sei. Dass es in dieser Rubrik doch darum ginge, vorbildhaft angezogene Menschen zu porträtieren.

Ich nehme diese Kommentare gerne zur Kenntnis, möchte aber dennoch entgegnen: Mir geht es mit dem „Sonntagsoutfit“ nicht darum, irgend einen bestimmten Stil zu predigen oder die Menschen dazu zu animieren, sich „wie in alten Tagen“ sonntäglich-fein zu kleiden. Klar, das war einmal die Ursprungsidee, doch anders als mit der Rubrik „Hat das Stil?“, die ich jahrelang betreut habe, finde ich nicht das Vorschreiben von Normen interessant, sondern das Darstellen von individuellen Vorstellungen von Coolness, Eleganz oder Chic, wie immer man es nennen will. Mir gefällt die Vielfalt der Optionen, und ich kann, wenn ich einem Jugendlichen wie Sebi Kunz zuhöre, genauso viel lernen wie etwa von einer eleganten Seniorin wie Agi Ukatz, wenn diese über ihr Outfit erzählt. It’s about diversity, not doctrine!

DSC_2070 Kopie

Also, hier kommt Sebi Kunz …

Hanfrausch trifft Regionalfussball – Sebi Kunz macht recht cool den Spagat zwischen kiffendem Outlaw und linkem Mittelfeld. Eine Begegnung am Zürichsee.

Mitte der neunziger Jahre schuf der englische Zeitgeist-Beobachter und Journalist Ted Polhemus einen guten Stilbegriff, der die vierzigjährige Hegemonie der Modetrends beendete: „Supermarkt der Stile“. Er beschreibt ein Zeitalter und eine Welt, in der nicht mehr bestimmte Modetendenzen für eine Mehrheit verbindlich gelten, sondern verschiedenste Subkulturen neben- und durcheinander existieren.

Der „Supermarkt der Stile“ ist nun schon zwanzig Jahre da, und es sieht nicht so aus, als würde sich das bald ändern. Die Menschen „clustern“ heute ihre Garderobe aus allen möglichen Themen und Zitaten zusammen und schaffen so neue Mikro-Trends, die zum Teil nur für bestimmte Subkulturen gelten. Wie diese allerdings heissen, wissen oft nicht einmal die, die dazu gehören. Die angesagte Stylistin Lotta Volkova („Vêtements“) meint sogar, dass es heute nicht mal mehr genuine Subkulturen gebe, sondern nur noch den Remix bestehender Stile.

„Keine Ahnung, wie man das nennt“, sagt auch Sebi Kunz, 17, aus Zürich, als ich ihn frage, wie man seinen Modestil beschreiben könnte. Der junge Mann, er macht gerade eine Ausbildung zum Schreiner, kleidet sich gerade so, wie er sich fühle. Und er fühle sich heute gut, jetzt wo die Sonne scheint, sagt er, wie er sich kurz vom Bänklein an der Zürichsee-Promenade erhebt und betont lässig vor der Kamera posiert.

Die Stilzitate in Sebi Kunz’ Outfit kommen aus der Welt von Rap und Reggae, verquirlt mit einem Schuss Streetwear und ein bisschen Sportbekleidung. Und alles ist grossflächig mit Symbolen verziert – die meisten davon Hanfblätter. Das hat seinen Grund: „Ich habe früher viel gekifft, wohl zu viel – heute rauche ich kaum noch Gras, ich vertrage es nicht mehr so gut“, sagt er. Dass sein Ex-Hobby überaus prominent im Bild ist, weiss Sebi Kunz, aber: „Es ist mir egal wenn andere mich deswegen anglotzen.“

Kunz’ extraweite Hanf-Hose ist wie das T-Shirt (mit einem stilisierten Totenschädel) von Metro, einem der Lieblingsläden des jungen Mannes – „die haben immer Sachen, die zu mir passen“, sagt er. Die Kappe ist von Ünkut, die Sneakers sind von Adidas. Das beste Stück an Sebi Kunz’ Outfit ist aber seine rote Trainerjacke mit der Nummer 8. Sie ist vom Fünftliga-Klub FC Turbenthal, und alle Achtung: „Da spiele ich auch wirklich, im linken Mittelfeld.“

1 Comment

  • Antworten August 10, 2016

    Gerold Brenner

    Lieber Jeroen…einer der Sonntagsoutfits von Dir wo ich wohl am meisten geköpft habe … ist es nun bewusst oder unbewusst … ist es schöne oder hässlich? … egal… es ist ein Stil der sehr gute und interessante Momente hat – die auch länger dauern. Ein Spiegel unsere Zeit und mit einer Leichtigkeit und spielerischen Art harmonisch ist… Eigen und eigenwillig… man sieht es nicht an jeder Ecke – das ist schon zeigenswert – er fühlt sich wohl und das ist doch die Hauptsache… bad taste ist good taste und würede mich nicht wundern bei Jeremy Scott oder Alessandro Michele etwas verfeinerter das Ganze zu sehen! Merci!

Leave a Reply