Letzte Etappe einer zweieinhalbwöchigen Mode-Rundreise durch Europa, auf den Spuren der neuen Männermode: Die Pariser Modetage durften natürlich nicht fehlen. Zwar ein elendig verkrustetes Land, dieses Frankreich … da stehen Modernisierungen an, die noch wehtun werden. Vor allem gesellschaftlich. Aber vielleicht wurde das jetzt, so schrecklich es klingt, mit dem Charlie-Hebdo-Schock angeschoben. Die Leute realisieren vielleicht wieder, was für ein Glück wir in der westlichen Welt haben, alle diese unglaublichen, prächtigen Städte zu haben und darin miteinander leben zu dürfen. Wir sollten diese Zivilisation mit allen Mitteln verteidigen – in der Hauptsache, indem wir zusammenstehen und zueinander schauen.
Doch zurück zur Mode. Es mussten noch etliche Lücken im Sortiment von AP&CO gefüllt und entsprechend Zeit in Showroom-Recherche und auf Messen investiert werden – entsprechend konnte ich leider nur wenige der PAriser Schauen besuchen. Doch die, die ich sah, stimmen mich positiv. Paris hat eine Kraft und Kreativität, an die Mailand nie herankommt. Auch London nicht, dazu fehlt der kulturelle Boden, der in Paris vorhanden ist. Die Pariser Männermode gibt der Saison den endgültigen Geschmack. Und der ist neu, ohne zu irritieren.
Dries van Noten war traumhaft, meisterhaft … zwar ruhig und temperiert, aber ultrapräzis. Man möchte alles anziehen. Zwar sind die Bilder, wie die meisten aus Paris, nicht gerade glorios geworden, aber immerhin: Es sind Schnappschüsse, die vielleicht ein Gefühl der Show wiedergeben.
Dann war ich bei Kenzo – an einem magischen Ort, den bisher nur wenige von innen gesehen haben: Jean Nouvels neue Pariser Philharmonie im Parc de la Villette. Ein wahnsinniges Gebäude, das kaum Architektur, aber sicher Haute Couture ist: Nichts ist gerade, jeder Boden und jede Wand hat überraschende Neigungen, das Blech schlängelt sich organisch um die Fassade und lässt Ein- und Ausblicke zu, die spannend sind.
Die Kenzo-Kollektion war auch gut und passte. Das Thema lautete: „Towards individuality, survival, protection and the functional.“ Man muss noch etwas mehr aus dem Programmheft zitieren, weil es einfach gut zur Zeit passt: „We welcome the unknown with inimitable curiosity. We celebrate the signs of others and observe symbolism as communication through cult scribbles, care labels and unique prints. We are community.“
Dann zur Mittagszeit am Samstag Dior Homme, wo Kris van Assche die Männermode entwirft – eine ziemliche Demonstartion von Markenmacht und Pracht! Ein komplettes, in einer akkuraten Einerkolonne sitzendes Orchester spielte die Live-Musik zur Show. Die Kollektion begann mit formeller Abendgarderobe, die van Assche aber mit Sportswear-Elementen und Badges kombinierte … Farben gab es im Grunde keine zu sehen, aber das ist bei fast allen grossen Marken für kommenden Herbst so.
Und abends noch einmal ein grosser gesellschaftlicher Aufmarsch bei Hermès im Maison Radio France an der Seine. Die langen, verglasten Gänge, die den Blick auf die Seine und den Eiffelturm freigaben, waren ein Hermès-typischer, majestätischer Ort für diese Show. Modisch war es bei Hermès schon aufregender (Farben komplett abwesend), aber die Luxusmarken erleben in angestammten Märkten gerade schwierige Zeiten, da möchte man ihnen nicht verdenken, wenn sie auf Nummer sicher spielen. Immerhin trifft Véronique Nichanian jede Saison souverän den richtigen Ton.
Schliesslich ein relativ neues Label, das aber schon sehr gute Beachtung findet, weil die Kollektion zeitgemäss ist und dennoch eine realistische, kommerzielle Ausstrahlung hat: Officine Generale von Pierre Mahéo. Statt einer Show entschied sich der französische Designer für eine statische Präsentation in einer Galerie an der Seine, und das war richtig, weil man sehr gut sehen konnte, wie stark sich die Männermode über Stoffe und Materialen erneuert.