Piet war der vielleicht bisher coolste Protagonist der Reihe „Sonntagsoutfit, von der bisher 28 Folgen erschienen sind – die Sache ist nun also ein halbes Jahr alt! Es kommt mir zwar länger vor, aber nun gut … zurück zu Piet! Ich traf Piet erstmals, als ich in der schönen Sportbar in Zürich einen Cappuccino bestellte. Damals hatte er noch langes Haar und er sah aus wie ein Grunge-Rockstar, wie er da gross, dünn, schlacksig und leicht androgyn hinter dem Tresen stand und den Barista machte.
Ich sprach Piet damals an und machte ihm ein Kompliment zu seinem Style. Er lachte und bedankte sich – und erinnerte mich an eine Stilfrage vor einigen Jahren, die er mir per E-mail zugesandt hatte. Damals fragte ein Leser, ob es okay sei, wenn man die Uniform, die man im Job tragen müsse, auf die eigenen Masse anpasse und wo nötig/möglich schmaler machen lasse, damit sie nicht so kastig aussehe. Er seit Pilot und trage eine Uniform, die ihm nicht wirklich gut sitze.
Ich erinnerte mich an die Frage, und auch daran, wie ich sie damals beantwortet hatte: Ich meinte, es sei seine Aufgabe, im bestmöglichen Licht seinen Arbeitgeber zu vertreten und deshalb sei es nicht nur erlaubt, sondern sogar nötig, den Anzug abzuändern. Piet grinste, als wir uns beide an die Episode erinnerten und er sagte, diese Antwort hätte ihm als jungen Piloten damals ziemlich Ärger gebracht. Er tat, wie von mir geheissen – mit der Folge, dass er sich auf Geheiss seiner Vorgesetzten, die den schlanken Anzug nicht so cool fanden, eine neue Uniform kaufen musste.
Nun denn, ich kann mir denken, dass ein Typ wie Piet bei einer grossen Fluggesellschaft mit ihren Hierarchien und Systemen manchmal aneckt. Also fragte ich ihn mit einer gewissen Zurückhaltung, ob ich ihn an einem Sonntag mal fotografieren dürfe. Piet willigte ein, es dauerte aber noch sicher zwei Monate, bis wir mal einen freien Sonntag fanden, der uns beiden passte. Schliesslich traf ich Piet am Bahnhof Wiedikon wieder. Es war kalt und es regnete. Aber Piet sah supertoll aus. Er hatte eine neue Frisur! Mehr Glam-Rock als Grunge.
Von Piet kann man viel lernen – die Elastizität, mit der er durchs Leben geht, ist unglaublich. Er hat eine positive Energie – als ob ein Job als Linienpilot nicht schon genug wäre, jobbt er nebenbei auch an der Bar (weil er das gerne macht und die Menschen mag, die er dort trifft, nicht des Geldes wegen) und veranstaltet Rockkonzerte. Er kennt sich in Mode und Musik wirklich gut aus. Eines meiner neuen Lieblingswörter habe ich von ihm gelernt: Shoegaze. So nennt man eine Rock’n’Roll-Gattung, bei der die Band die meiste Zeit auf die eigenen Schuhspitzen starrt („to gaze at your shoes“).
Hier kommt der Text aus der NZZ am Sonntag vom 1. Mai 2016:
Ist er ein Rockstar, der aus einer anderen Zeit angeflogen kommt? Der Zürcher Piet Alder liebt es, mit seinem Styling die Konventionen herauszufordern.
Wer Piet Alder in seiner Freizeit trifft (wie ich an einem Sonntag auf dem Bahnhof Wiedikon in Zürich, wo er lebt), der käme nie darauf, was der schlaksige 31-jährige beruflich macht. Am ehesten würde man auf Sänger oder Gitarrist in einer Rockband tippen. Oder auf einen Modedesigner. Weit gefehlt. Der Ostschweizer mit dem 70’s-Pilzkopf ist Langstreckenpilot auf grossen Verkehrsmaschinen. „Natürlich sehe ich ein bisschen anders aus, als es mein Beruf nahe legt“, lacht Piet Alder, „Aber darf ich einfach mal zurückfragen: wie sollte ein Pilot denn aussehen?“
Sicher sehe er „on the job“ ein wenig anders aus, er trage dann eine Uniform und eine Mütze, sagt Piet Alder: „Das ist zwar eine Einschränkung der individuellen Ausdrucksart, aber für mich völlig in Ordnung, denn ich habe ja andere Gelegenheiten, mich auszuleben.“ Schon als kleiner Bub sei es sein Traum gewesen, Pilot zu werden, so Piet Alder, der aus Hundwil in Appenzell-Ausserrhoden kommt. Mit 23 bewarb er sich, wurde genommen, machte die Ausbildung – und fliegt seit sechs Jahren. „Es ist ein schöner Beruf, die Fliegerei hat meinen Horizont sehr erweitert – auch was Musik betrifft“, sagt Alder.
Piet Alders grosse Leidenschaft ist Musik. „Derzeit höre ich gerne Musik aus den sechziger und siebziger Jahren, aber auch neue Musik in dem Stil.“. Seine bevorzugten Genres sind Garage Rock, Psychedelic Rock und Shoegaze, zu seinen Lieblingsbands gehören Froth, Mystic Braves und Slowdive. Alders bevorzugtes Pflaster ist Los Angeles, wo er auch Bands rekrutiert, um in der Schweiz zu spielen. In derselben Szene verkehrt übrigens seinLieblings-Modemacher: Hedi Slimane, der vor kurzem seinen Job bei Yves Saint Laurent an den Nagel gehängt hat.
„Ich bin ein Fan von Hedi Slimane“, bekennt Piet Alder, „Er ist aber in meinen Augen gar nicht so sehr ein Designer als ein Kurator eines Lebensstils.“ Der rote Samt-Lumber mit Pailletten-Applikationen ist von Saint Laurent by Hedi Slimane. Die enge Dark-Denim-Jeans (Modell „Thin“) ist von Acne, der Leinenpullover von A.P.C. – „Ich habe ihn grad in drei Farben gekauft“, sagt Alder. Seine schwarzen Chelsea Boots sind von Church’s, „die trage ich schon seit langen Jahren.“ An seinen Händen trägt er Silberschmuck aus Indien. Wenn er Lust darauf hat, lackiert Piet Alder ausserdem seine Fingernägel. „Im Cockpit geht das natürlich nicht“, grinst er.
„In Zürich reagieren die Leute in der Regel gut auf meinen Style“, erzählt Piet Alder. Nur auf dem Land werde er manchmal schief angeschaut. „Aber das kenne ich schon mein Leben lang. Ich tanze schon seit Kindertagen aus der Reihe.“ Wenn er keine Lust hat, die Blicke der Passanten zu erwidern, trägt Piet Alder einfach eine Sonnenbrille. Die auf dem Bild ist von Crap Eyewear aus Los Angeles. Ausserdem kaschiert sie seine müdigkeitsbedingten Augenringe: „Ja, man leidet auch als Pilot unter dem Jet Lag, das ist eigentlich fast ein Dauerzustand.“