Heute stiess ich bei der Recherche für einen Artikel auf profashionals.de, in dem es über die deutschsprachigen Mode-Blogs geht, auf folgenden Satz: «Es gab Zeiten, da schrieben wir an dieser Stelle über Modeerscheinungen, doch das ist vorbei, denn die Mode ist tot.» Der Satz stammt von David Roth, Mitgründer des deutschen Modeblogs Dandy Diary. Dieses Portal war mal «State of the art», was die Mischung aus Provokation und Stilkritik betrifft.
Mich packte Neugier und Wehmut, als ich das las. Denn natürlich ist nicht die Mode tot, sondern Dandy Diary – das Portal, das einst so stilprägend über (Männer-)Mode schrieb. Roths Interesse am Thema ist erloschen. Das kann passieren, aber es ist offenbar einfacher, gleich eine Branche zu beerdigen statt das Ende seiner eigenen Ambitionen zuzugeben.
Die Mode ist tot.
Dieser Satz knallt immer wieder. Schon 2015 macht er effektvoll die Runde, als sich die niederländische Trend-Prognostikerin Li Edelkoort in ihrem «Anti Fashion Manifesto» als elegante Totengräberin der Mode profilierte. «Fashion is dead», titelte das Design-Magazin Dezeen, und Frau Edelkoort präzisierte: «This is the end of fashion as we know it. Fashion with a big F is no longer there. And maybe it’s not a problem; maybe it’s actually a good moment to rethink.»
Der Gedanke ist richtig, die überspitzte Aussage allerdings nicht. Denn nicht die Mode an sich ist tot, sondern nur die gerade abgelaufene Vorstellung davon. Es geht bei solchen Voten mehr darum, dass sich relevante Mode-Beobachter von ihr entkoppeln, wenn die Mode mal wieder totgesagt wird. Es ist ein individueller Befreiungsschlag, und nicht ein pathologischer Befund.
So war das auch, als der weltberühmte Produktgestalter Philippe Starck 2019 in einem Interview mit dem österreichischen «Standard» den Tod der Mode diagnostizierte. Allerdings sagte Starck das Begräbnis für das Jahr 2029 voraus: «In zehn Jahren ist die Mode tot, weil diese Maschinerie nicht aufrechtzuhalten ist», lässt sich der Tausendsassa effektvoll zitieren. Ihm kann es ja egal sein, er hat seine beste Zeit gehabt – denkt man. He shouldn‘t care anymore!
Bereits 2018 hatte die Autorin Maureen Callahan in einem Artikel der nicht eben nur seriösen «New York Post» festgestellt: «High fashion is truly dead.». Sie bezog sich in ihrem Artikel darauf, dass mit den beiden Fotografie-Titanen Bruce Weber und Mario Testino gleich zwei Monumente der Modefotografie vom Sockel gestossen wurden, wegen ungebührlichen Annäherungen an ihre Models.
Dennoch hält sich die Mär vom Tod der Modewelt hartnäckig. «Die Mode ist tot, es lebe die Mode», titelte der «Cicero» Anfang 2020 anlässlich der letzten Haute-Couture-Modenschau des Veteranen Jean-Paul Gaultier. Das mag, in Bezug auf Gaultier, der in den 1980er und 1990er-Jahren eine tolle Zeit hatte, sicher stimmen. Auf die Mode an sich, die ungeachtet solcher letaler Befunde weiter lebt, trifft es nicht zu. Sie erfindet sich immer wieder neu – wohl aber nicht jedes Mal zum Wohlgefallen jener, die eben noch als stilprägend galten.
Ein letztes, weiteres Müsterchen gefällig? «Die Mode ist tot, es lebe die Mode» verkündete bereits fünf Jahre vor dem «Cicero»-Autoren der Berliner Modemacher Michael Michalsky in der «Berliner Morgenpost» wortgleich. Die Absicht war durchschaubar: Der smarte Herr Michalsky wollte sich als Neuerfinder der Mode in Szene setzen, als Messias, der die Toten wiederauferstehen lässt. Es ist ihm, wie man heute weiss, nicht gelungen. Die Mode lebt weiter – die Berliner Modewoche aber, die ist schon im Sarg.