Eine interessante Frage, die mich im neuen Jahr erreicht – sie betrifft den letzten James-Bond-Film „Spectre“. Da gibt es eine Szene, die in der Wüste von Marokko spielt und in der Daniel Craig einen hellbraunen Anzug trägt, während er und Madeleine Swann (Léa Seydoux) zum Bösewicht von Spectre gebracht werden. „Grosse Sorgen bereiten mir die Stilblüten des Agenten ihrer Majestät!“, schreibt Johannes F. in seiner E-mail, „Geografisch zählt Marokko bestimmt nicht zum Morgenland, kulturell hingegen schon – ist es vielleicht diesem Umstand geschuldet, dass Bond seine Krawatte so kurz gebunden trägt und damit eine gefällige Usanz einfach fahren lässt? Bricht man mittlerweile so leichtfertig mit Traditionen?“ Er habe immer gedacht, dass eine korrekt gebundene Krawatte bei der Gürtelschnalle enden sollte, schreibt Leser Johannes und endet seine Zuschrift mit dem beherzten Aufruf: Lieber Herr van Rooijen, Ihre Einschätzung bitte!“
Nun, wie trägt man denn nun als „zeitgemässer Herr im Westen“ seinen Schlips? Korrekt nach alter Schule bis zum Hosenbund reichend, so wie es uns die Stilfibeln lehren – oder darf das moderne Krawättchen heute auch etwas kürzer vom Halse baumeln? Ich habe mir die Bilder aus dem Bond-Film angeschaut (den ganzen Film habe ich mir noch nicht zugemutet, weil ich Craigs Visage einfach nicht mag), und ich muss sagen, dass Bond durchaus gekonnt neue Sitten anklingen lässt. Zwar würde man eine herkömlliche Business-Krawatte (aus Seide oder dergleichen) zu einem dunklen Stadtanzug vermutlich nicht so kurz knoten, aber: Eine gestrickte Casual-Krawatte – und das ist Bonds Schlips eindeutig – kann man, gerade zu einem leichten Baumwollanzug, durchaus auch etwas kürzer tragen. Sie sähe vielleicht sogar unnötig formell und ein bisschen zu lang aus, wenn es anders wäre.
Die Website „James Bond Suits“, deren Geschäftsmodell es ist, Bonds Anzüge für wenig Geld nachzuschneidern, hat sich des Themas angenommen und illustriert recht detailliert, um welche Kombination es sich bei besagter Szene handelt. Bond trägt einen leichten, wahrscheinlich nur halb oder gar nicht gefütterten Anzug aus khakifarbendem Baumwoll-Twill, wie es scheint, es könnte aber auch Leinen oder sogar ein Schuss Seide drin sein. Die Krawatte ist gestrickt und hat einen geraden (statt des normal spitz zulaufenden) Abschluss.
Noch ein ganzes Stück präziser weiss es aber die Seite „The Suits of James Bond“. Die Kombination sei nicht mal ein Anzug, heisst es da, sondern eine leicht andersfarbige Hose und ein Jackett von Brunello Cucinelli. Es sei es erstmals seit „Golden Eye“, dass Bond nicht explizit einen Anzug aus ein und demselben Stoff trage. Und dafür gibt’s von den Fachleuten Kritik: Weil die Hose zu ähnlich sei wie das Jackett und den Look so unstimmig wirken lasse. Man spricht in diesem Fall von einem „falschen Anzug“. Das Cucinelli-Jackett besteht aus 51 % Wolle, 41 % Leinen und 8 Prozent Seide.
Man staunt – denn Bond trägt doch eigentlich im Prinzip die Garderobe von Tom Ford!? Angeblich habe sich Daniel Craig persönlich für diese Kombination entschieden und Fords Version am Bügel hängen gelassen, liest man. Das Outfit erinnere an ein Outfit, dass Timothy Dalton in „The Living Daylights“ getragen habe.
Nun zur Krawatte, die von Tom Ford ist (so wie das Hemd) – sie sei aus gestrickter Seide, wissen die Fachleute. Und ja, auch „The Suits of James Bond“ stellt fest, dass die Krawatte etwas zu kurz wirke. – Ich würde sagen: As you prefer, gentlemen. Für mein Auge, an verkürzte Proportionen gewöhnt, wie sie Thom Browne seit einigen Jahren popularisiert hat, stimmt’s durchaus so (bis auf den „Grind“ von Craig, wie gesagt). Wer es klassischer mag, der darf den Schlips aber zu kurz finden.
Nachtrag vom Mittwoch, 6. Januar:
Am selben Tag, an dem ich dieses Stücklein auf meinem Blog veröffnetlicht hatte, meldete sich „meine“ Zeitung (die NZZ), mit der Bitte, das Thema doch auch noch für die Print-Ausgabe zu bearbeiten. So läuft das heute! HIER ist der Artikel …
Marc Schmid
Mittlerweile wird über die Outfits der James Bond Streifen ein grösseres Tamtam gemacht, als um die Filme selber. Und sicherlich ist es interessant, was 007 so alles trägt bei seinen Missionen! Allerdings, scheint es mir, ist die Garderobe des Agenten während den letzten Filmen ein wenig zu einem Stelldichein der grossen Namen in der Modebranche geworden – das ein britischer Kult-Charakter einen amerikanischen Anzug trägt, stört mich persönlich mehr, als die Länge der Krawatte. Da vermisse ich ein wenig die guten alten James Bond Filme, in denen die Anzüge des Agenten, in ganz traditioneller Manier, von einem Massschneider aus der Londoner Saville Row stammten.
Aber unter dem Strich jammern wir ja auf sehr hohem Niveau. Die beste Ästhetik und Verpackung eines Films nützt nichts, wenn er inhaltlich schwächelt – und diesbezüglich wurde bei Spectre ja einige Kritik laut.
Krawatte 008
Sehr interessantes Thema. Das ist mir bisher nicht aufgefallen das 007, der Mann mit Stil, seine Krawatte zu kurz trägt. Ich finde auch nicht, dass dies eine Typfrage ist. Krawatten, egal ob eine schmale Krawatte oder eine breite Seidenkrawatte, sind bis zum Hosenbund zu tragen. Da gibt es kein aber…
VG