Es war länger etwas still auf diesem Blog. Weil es soviel anderes zu tun gab! Heute morgen den fünften Stilvortrag innerhalb von zwei Wochen halten dürfen – was für ein Marathon! –, und zwar als Auftakt zu einem zweitägigen Kongress der Handchirurgen (SGH) in Thun. Das Publikum durfte mit einer Stil-Aufwärmeübung wachgerüttelt werden, der Titel des Traktats lautete: „Wer ein Händchen hat für Stil, punktet bei den Patienten“.
Und hier ist ein Auszug aus der Keynote:
Karl Lagerfeld, der oberste Stilprediger der Welt sagte einmal, dass der, der in Sportkleidung auch den ganz normalen Alltag bestreitet, nicht mehr Herr seiner Entscheidungen sei: „Wer Jogginghosen trägt, hat die Kontrolle über sein Leben verloren“. Nun, auch Kaiser Karl geht nur mit der Mode, frei nach dem Motto: „Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern?“ und hat im Frühjahr 2014 den schicken, verlöcherten Chanel-Jogginganzug auf den Laufsteg geschickt. Die Zeiten ändern sich eben, und mit ihnen die Überzeugungen.
Auch ich habe mich in den letzten Jahren verändert. Die zentralen Themen sind etwa dieselben geblieben, aber mein Wirkungsfeld hat sich verschoben und erweitert. Kannten mich die meisten vor vier Jahren noch durch meine wöchentliche Stilkolumne in der „NZZ am Sonntag“, in der ich den Lesern streng den Tarif in Sachen Stilfragen durchgab sowie als chirurgisch tätiger Analyst der modischen Innenwelt, der für „NZZ Folio“ mit dem Skalpell Kleidungsstücken zu Leibe rückte (Die „Zerlegt“-Untersuchungsberichte sind übrigens in Buchform erschienen), so ist mein Wirkungsfeld heute eher die Tagesausgabe der NZZ, wo ich immer öfters nicht mehr auf Papier schreibe, sondern zunehmend nur noch digital.
Man nennt das Medienwandel, und für mich heisst das: Statt um strenges Diktat geht es um Austausch, Dialog und Hilfe. Also ich bin heute nicht mehr nur Stilpolizist, sondern auch ein verzeihender Helfer, der das, was er predigt auch in die Tat umsetzt, und so habe ich mit zwei Freunden vor kurzem in Zürich ein Ladengeschäft eröffnet –AP&CO –, in dem wir wenigstens den Männern konkret zeigen können, wie das mit der Mode funktioniert. Im Laden wie auch in der Mode sonst geht es um das Handwerk, das wieder kultiviert und gefragt wird. Die Leute wollen wissen und spüren, dass das, was sie tragen, auch von Fachleuten gemacht wurde. Wir werden also weiterhin auch in Europa nicht nur Hirne und schnelle Finger, sondern auch flinke Hände brauchen.
Ärzte haben es eigentlich gut: Die Welt weiss ganz genau, wie sie eigentlich aussehen – oder zumindest aussehen sollten! – und sie können sich mit zwei einfachen Mitteln als solche kenntlich machen: Mit dem Kittel und dem Stethoskop. Die Realität ist freilich eine andere: Immer mehr Ärzte, auch Humanmediziner, kleiden sich wie Veterinäre oder manche sogar wie Bauern, und an Eleganz gewinnt man auch in diesem Beruf nicht, indem man sich einfach eine alte, nicht mehr ganz frische Krawatte umbindet. Ausserdem, so höre ich, gebe es unter den Ärzten ein handfestes Schuh- und Sockenproblem. Es soll nicht selten vorkommen, dass Ärzte in Socken und Sandalen unterwegs sind, dabei weiss man doch: Wer seine Socken öffentlich vorführt, verliert unwiederbringlich den Respekt seiner Mitmenschen.
Es ist alles gar nicht so schwer. Ich habe darum ein 26-teiliges, schnelles Alphabet mitgebracht, das die Geheimnisse der Welt des Stils im Berufsalltag entschlüsselt. Hier sind die ersten vier Buchstaben …
A wie Anzug: Keine Angst vor dem grossen Klassiker, der Männer jeden Alters in bestem Lichte dastehen lässt: Er ist nicht mehr steif und einengend, sondern weicher, lässiger und bequemer denn je! Man trägt ihn so selbstverständlich wie einst die entspannteren Kombinationen.
B wie Bundfalten: Sie zeigen entweder den extremen Avantgardisten an, der schon weit voraus in der Zukunft ist, oder den Hinterwäldler. Denn zeitgenössische Hosen haben zu 99 % eine flache Vorderseite.
C wie Cardigan: Strickjacken, benannt nach dem 7. Earl of Cardigan, der seine Truppen im Krimkrieg damit ausrüstete, sind auch heute noch ein probates Mittel, bequem und trotzdem halbwegs elegant angezogen zu sein.
D wie D wie Dekolleté: Tiefe Einblicke gehören sich in ein professionelles Arbeitsumfeld nicht, sondern sollten dem Privatgebrauch und besonderen Festlichkeiten vorbehalten sein – dies gilt für Damen und Herren in gleichem Masse.
E wie … Es gibt noch 22 weitere spannende Positionen, die zu besprechen sich lohnten, hier aber nicht hingehören, weil wir unseren Mitbewerbern, die auch mit solchen Themen hausieren, ja nicht alles auf dem Silbertablett servieren wollen. Wer es wirklich wissen will, der schreibt über das Kontaktformular eine nette Nachricht oder bucht uns für ein Coaching mit Team, Institut, Spital oder Verband – letzteres dann sehr gerne über Andreas & Conrad, die uns diesbezüglich betreuen.