We look at politics

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Diesen Text hier aus der NZZ, der dort am Donnerstag, 9. April als Teil der „Catwalk“-Serie erschien – also kurz vor den Zürcher Regierungsratswahlen – wollten wir hier auch noch ganz gerne mit unseren Lesern teilen. Denn auch im Osten des Landes stehen ja jetzt allenthalben Wahlplakate herum und verschandeln die Landschaft.

DIE HARTE ZEIT DER PAPPNASEN

Die Wochen und Monate vor eidgenössischen Wahlen sind für stilsensible Menschen eine echte Prüfung. Die Städte und Agglomerationen sind zugepflastert mit Porträtfotos von meist eher sehr mittelmässig aussehenden Menschen mit einem mehr oder weniger krampfhaften Lächeln im Gesicht und markigen Sprüchen um das Haupt herum. Auch auf dem Land stehen die Biedermänner und Properfrauen herum, oft inmitten von Wiesen, und versprechen eine bessere Welt, wenn man ihnen die Stimme gebe.

Im Zürcher Unterland gibt es eine besonders groteske Gestalt: ein älterer, fad aussehender Herr im grauen Anzug, der als lebensgrosse Kartonfigur entlang den Strassen im Feld steht. Man erschrickt ob dem offenbar verwirrten KMU-Manager, der sich in die Natur verlaufen hat. Vielleicht hat er irgendwo in der Nähe seinen Passat Kombi parkiert? Auch sehr obskur: ein brachial in Photoshop freigestelltes Duo, das im Grossraum Zürich von den Plakatwänden in die Weite blickt, weil es in den Regierungsrat will.

Was all diesen Plakaten gemein ist – von links bis rechts, ohne Rücksicht auf politische Couleur –, ist die vollkommene Absenz von Stilkompetenz. Es scheint so, als hätten der gleiche Vorstadt-Coiffeur, der gleiche Kaufhaus-Stylist und der gleiche Feld-Wald-und-Wiesen-Fotograf die Kandidierenden ins Licht gerückt und dabei tunlichst darauf geachtet, jeden Verdacht von modischer Informiertheit oder gar einem individuellen Willen zur Schönheit zu vermeiden.

Das kann nur heissen: Hierzulande ist gute Kleidung offenbar immer noch etwas Verdächtiges. Wer in ein politisches Amt will (oder ebendieses behalten will), der muss so tun, als würde er nie einen überflüssigen Gedanken an sein Äusseres verschwenden und all seine Energie auf den Inhalt fokussieren. Das wirkt gerade in Zeiten, in denen Bilder eine nie gekannte Kraft haben, sehr aus der Zeit gefallen.

Die zu wählenden Menschen mögen allesamt brillante Köpfe sein – ihre Bilder sind es leider nicht. Der Sturm «Niklas» und die ihm folgende Regendepression vor zehn Tagen haben darum das einzig Richtige mit all dieser plakatierten Mittelpracht getan: Sie haben die Pappnasen zerfetzt, durchnässt und mit Wucht in die Landschaft geschleudert. Auf dass man den Blick wieder auf schöne Horizonte richten kann.

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