We look back without anger

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Am Dienstag, 5. Mai 2015 spreche ich in der Gesprächsreihe „Let’s Talk“ in der Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK) über meinen bisherigen Weg durchs Leben. Die ZHdK ist bekanntlich die Erbfolgerin der einstigen Kunstgewerbeschule, in die ich 1986 als 16-jähriger Vorkurs-Novize eintrat und die ich 1991 als frischgebackener „Modegestalter HfG“ verliess. In den fünf Jahren dazwischen hatte sich die Schule in „Schule für Gestaltung“ umbenannt (man fand „Kunstgewerbe“ altbacken), später hiess sie „Hochschule für Gestaltung und Kunst“, später dann also ZHdK. Ich habe die Zeit in der „Kunsti“ sehr genossen, wenngleich ich heute das Gefühl habe, dass ich damals eigentlich zu jung war, um zu begreifen, welche Chancen sich damals geboten hätten, wenn man sich etwas mehr ins Zeug gelegt hätte. Vielleicht wäre ich ein neuer Jean-Paul Gaultier geworden, wie mir damals in Träumen vorschwebte. Aber es kam anders. Dazu hier nun etwas mehr.

Me and my two younger brothers.

Me and my two younger brothers.

Ich bin der ZHdK in all den Jahren seither – 24 sind es schon! – lose verbunden geblieben. Ich kehrte zeitweise als Mentor von Studienprojekten, als Vortragender oder auch ein Semester lang auch als Dozent zum neuen Studiengang „Style & Design“ zurück – letzteres gefiel mir damals nicht, weswegen keine Karriere als „Mode-Professor“  zustande kam, anders als bei vielen anderen schreibenden Kollegen, die heute solche Ämter bekleiden. Es war damals noch überhaupt nicht ausformuliert, was dieser Nachfolge-Lehrgang zur behördlich verordneten Abschaffung der Modeklasse werden sollte. Und wenn ich das Studienangebot heute anschaue, so habe ich den Verdacht, dass das immer noch nicht ganz klar ist. Vielleicht ist so eine Unschärfe aber auch eine Chance!?

Ich habe mich damals, nach meinem Abschluss im Jahre 1991, relativ schnell vom „Machen“ der Mode weg bewegt, hin zum Schreiben über Kleidung und Mode. Vielleicht war die Anlage dazu schon in der theoretischen Diplomarbeit vorhanden, die sich mit dem Thema „Recycling in Fashion“ befasste und eine Bestnote erreichte. Das Thema war recht neu, man erinnert sich an den jungen Martin Margiela. Ich besuchte das Texaid-Sortierwerk und schrieb dazu eine Reportage. Mich faszinierte, wie man mit Wort und Bild Zusammenhänge offenlegen konnte und wollte mehr damit machen.

 

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Mein Weg in den Journalismus führte dann aber erst nur zum gesprochenen Wort. Ich begann, aus Spass an der Technik und aus Lust am Rampenlicht, beim Lokalradio Thurgau in Frauenfeld zu arbeiten. Wir spielten Schallplatten, CDs, manchmal Kassetten, schnitten Bänder und schmetterten Jingles ab Cartridge dazwischen – Radio-DJ zu sein gefiel mir, und offensichtlich hatte ich ein gewisses Talent, denn der Weg führte recht bald weiter nach Rapperswil, zu Radio Zürisee. Hier lernte ich viele tolle Kollegen kennen, die ich heute noch schätze. Viele von damals sind heute in leitenden Positionen im Medienkuchen tätig – das Studio am See war also eine gute Schule!

Es folgte etwa 1994 ein Abstecher in die eher ernüchternde Welt des Kommerz-Modedesigns im Bauch des damals noch landesweit tätigen Jelmoli-Konzerns, wo ich im „Kreativstudio“ Otelfingen als Designer für Sport- und Herrenmode gute Ideen bekannter Marken abkupfern, leicht abwandeln und nach Hongkong zum Nachnähen senden durfte. Es war nicht meine Welt, zu profan – weswegen ich nach anderthalb Jahren zurück zum Radio wollte. Ich landete bei Radio 24 in Zürich – damals der Olymp für junge Radioleute! Zusammen mit Nik Hartmann und Mario Torriani bestritt ich zwei Jahre lang die Vormittagssendung, was meistens sehr lustig war. Programmleiter Markus Gilli liess uns grosszügig pfuschen, und auch Inhaber Roger Schawinski, der damals gerade sein Fernsehen aufbaute, hörte mit beiden Ohren weg.

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Meinen Zugang zu den geschriebenen Medienformaten fand ich über eine Kino-Gratiszeitschrift namens „Film denächst„, für die ich monatliche Street-Style-Reports in Zürich machte und Menschen auf der Strasse fotografierte! 1995, also noch analog, mit Dias und so. Es war ein bisschen gebastelt, aber cool. George Klee gebührt hierfür grossen Dank! Über diese bescheidenen Veröffentlichungen begann ich für ein KV-Heftli namens „Start“ Modekolumnen zu schreiben, und kam 1997 etwa zur „annabelle„, wo ich im Modeteam für die News, Texte und grösseren Reportagen zuständig war. Der Blut- und Schlachthofgeruch, der damals durch die Gänge an der Baslerstrasse waberte, ist mir heute noch in der Nase. Ich erinnere mich auch noch vergnügt an die eitlen, wortkargen Star-Kollegen des „Du“, die auf dem gleichen Stockwerk sassen und uns Modefuzzis von der „annabelle“ natürlich ganz furchtbar unter ihrer Würde fanden.

Es folgte wenig später ein Engagement bei der Schweizer Modezeitschrift „Bolero„, wo ich unter den Fittichen von Sithara Atasoy vieles ausprobieren durfte, viel reiste und sukzessive meine Sprache fand: Begeistert und fundiert über Mode zu berichten schien offenbar eine Marktlücke, denn mein Buchstabensalat kam an. Wenn ich nicht gerade Deadlines hinterher hechelte, trieb ich mich im Internet rum, das war damals ultra-neu und spannend. Durch dieses Bolero-Gewerkel erregte ich auch die Aufmerksamkeit von Stephan Meyer, damals Modechef bei der „GQ“ in München, der mich als Schreiber für seine Modeseiten und saisonalen Stil-Specials engagierte. Das Leben zwischen Zürich und München war eine tolle Zeit, und noch heute verbindet mich eine stabile Freundschaft mit Stephan Meyer, der mir in vielen Dingen – nicht nur in Stilfragen – ein wichtiger Lehrer war.

 

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Auf Bolero und GQ folgte ab 2002 ein zuerst loses, ab 2003 dann zunehmend festeres Engagement bei der „Neuen Zürcher Zeitung„. Zuerst dachte ich, damals 33-jährig, dass diese komische alte Zeitung und ich wohl kaum richtig zusammenpassen würden, doch es entwickelte sich aus dem Teilzeit-Engagement für die Modebeilagen und die „Mode an der Limmat“ meine bis dato stabilste Arbeitsbeziehung, die rund zehn Jahre hielt. Ich durfte bei der „NZZ am Sonntag“ den Stilbund mit auf- und ausbauen, die Luxusbeilage „Z“ lancieren und meine bisher publikumswirksamste Rolle spielen – die des Stil-Briefkastenonkels, der die Fragen der Leser beantwortet. „Stilregeln“, „Wie sehen Sie denn aus?“ und „Hat das Stil?“ waren über Jahre mit die beliebtesten Formate des Blattes. Felix E. Müller hat mich hierbei entscheidend gecoacht. Im „NZZ Folio“ schrieb ich parallel während acht Jahren über hundert Folgen von „Zerlegt – Mode unter dem Messer“. Und natürlich war da ab 2009 fünf Jahre lang auch die wöchentliche Radiorubrik „Stiltipp“ auf Radio SRF 3. Highlight war dort die jährliche Verleihung des „Goldenen Kleiderbügels“ mit Judith Wernli, die jeweils im Rahmen der „Swiss Music Awards“ stattfand.

 

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Ab etwa 2011 bekam die vergnügliche Zusammenarbeit mit der NZZ einen Dämpfer. Ich wollte raus aus der Routine der wöchentlichen Zeitungsproduktion und wieder etwas Neues probieren. Doch der Medienwandel lähmte die Innovationsbereitschaft des Verlags. Also gab ich meine leitenden Ämter ab und arbeitete Teilzeit, das Pensum schrumpfte mit jedem Semester. Derweil baute ich zusammen mit Reto Caprez ein neues Männerheft auf – es hiess „Gentlemen’s Report“ (GR), erblickte Ende 2011 das Licht der Welt und war seiner Zeit vielleicht ein bisschen zu weit voraus. Wir boten einen neuen, damals noch etwas beargwöhnten „Corporate Community Content“ an. Die NZZ fand dies trotz Berührungsängsten spannend und stieg in das Projekt ein. Man kaufte uns mit einem Buyout-Plan die Namensrechte am „GR“ ab, bezahlte eine erste Tranche – und dann ging’s irgendwie schief. Wir erreichten die von damaligen CEO geforderten Ziele knapp nicht und dieser stellte das Männerheft nach der achten Ausgabe im Frühsommer 2013 ein. Es war auch das Ende meiner festen Beschäftigung bei der NZZ.

 

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Seither habe ich, nach einem (sehr kurzen) Gastspiel als Stil-Kolumnist der „Weltwoche“ und Geburtshelfer der deutschen „Harper’s Bazaar„, dennoch immer wieder in verschiedenen Rollen für die NZZ gearbeitet, zuletzt als Macher der „Soll & Haben“-Stil-Doppelseiten oder als „Daily Reporter“ für das Online-Register „Lebensart“, doch leider haben wir nie wieder zu einem für beide Seiten haltbaren und motivierenden neuen Modell der Zusammenarbeit gefunden. Obwohl ich die NZZ noch immer sehr gerne mag. Die Zeitung ist leider zu sehr beschäftigt mit dem rasanten Struktur- und Medienwandel. Mein Thema kann da nur Beigemüse sein. So verbindet mich heute nur noch eine wöchentliche „Catwalk“-Kolumne mit der Falkenstrasse, derweil ich meine Aktivitäten als „Wanderprediger“ und Vortragsredner intensiviert habe. Die Agentur Andreas & Conrad „vermarktet“ mich diesbezüglich. Ausserdem bin ich ja inzwischen auch Mitinhaber eines Herren-Fachgeschäfts in Zürich – AP&CO –, das auch viel Zeit und Energie erfordert. Dazwischen purzeln immer wieder mal kürzere crossmediale Geburtshelfer-Rollen mit kommerziellem Unterton, etwa für „The Ecoist“ oder „Manorlive„.

Es erscheint derzeit unscharf, wohin mein Weg in der Mode als nächstes führen wird. Medial scheint eine Art Sackgasse erreicht, aus der ich erst wieder herausfinden muss. Vielleicht führt der Weg also zurück zum ursprünglich erlernten Beruf? Den ich ja in all den Jahren, als „Assistent“ und Schnittmacher für die Kollektion meiner Frau, auch immer gepflegt habe. Ich hätte Lust auf dreidimensionale Produkt- und Sortimentsentwicklung, wenngleich ich das Mediale doch nicht missen möchte. Vielleicht gibt es bald eine Gelegenheit, beides auf gutem Niveau zu verbinden?  Wenn alles gut läuft, ist nach 24 Jahren etwa Halbzeit, und es bieten sich bald neue Chancen, anzuknüpfen an all das, was schon war. Vielleicht ist es auch ganz gut, auf halbem Weg mal stillzustehen und zurückzuschauen. Erstaunlich, wie schnell das alles geht. Und wie total anders die Welt seit 1991 geworden ist.

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1 Comment

  • Antworten Mai 12, 2015

    V

    Jean-Paul Gaultier? Nicht wirklich, oder?

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