In Berlin hatten wir letzte Woche die besondere Gelegenheit, zwei Menschen live zu treffen, die wir seit Jahren sehr bewundern: die androgyne Schauspielerin und Kultfigur Tilda Swinton und Modedesigner Haider Ackermann, den Karl Lagerfeld einst als „den einzigen, der mich beerben kann“ bezeichnet hat. Eingeladen zu dem Rencontre im Bikini Berlin hatte der Automobilhersteller Mercedes-Benz, der seit einigen Jahren Hauptsponsor der Berliner Fashion Week ist und sich jedes Jahr wieder ein modisches Sujet einfallen lässt, um die Verbindung von Mobilität und Mode zu akzentuieren.
Haider Ackermann kennen wir seit Jahren – wahrscheinlich war es überhaupt eines der ersten Interviews mit dem Designer, das vor rund 12 Jahren in „Bolero“ erschien. Wir trafen den damals noch ganz am Anfang seiner Karriere stehenden Newcomer damals, es dürfte etwa 2002 gewesen sein, in einer umgenutzten Garage in Belgien, in dem er sein Designstudio hatte. Inzwischen ist Ackermann einer der „hot tickets“ in Paris. Seine Schauen sind regelmässig das Highlight der Pariser Modewoche. Tilda Swinton kennen wir, wie die meisten, nur aus Filmen und von Fotos, sind aber immer fasziniert angesichts der ausserirdischen Präsenz dieser Frau, die heute Haider Ackermanns Muse und „Spielkameradin“ (Ackermann über Tilda) ist.
Also, zurück zum Thema: Mercedes-Benz führte seinen neuesten Werbefilm vor, der Tilda Swinton, in einem langen, schmalen Outfit von Haider Ackermann gekleidet, in einem Luxusauto der Marke zeigt. Den Clip drehte Starfotograf Roe Etheridge, der auch in Berlin war, um das Werk vorzustellen. Den ganzen Film kann man etwa HIER (bei der „Vogue“) sehen.
Also, was sehen wir da, in dem 3,5-minütigen Clip? Jörg Koch, Chefredaktor des angesehenen Avantgarde-Magazins 032c, versuchte es den Protagonisten, die auf einem Sofa sassen, zu entlocken. Der Film zeigt eine Frau (Tilda Swinton), die in einem sehr teuren und sportlichen Auto (Mercedes-Benz S-Klasse Coupé) durch die schottischen Highlands fährt, sich offensichtlich irgendwie ein bisschen verfolgt vorkommt, da und dort anhält, um Dinge im Wald zu verbuddeln oder in die Wiese zu werfen, schliesslich zu einem steilen Küstenabschnitt fährt, dort fast im Wasser parkt und einen kleinen Jungen im Taucheranzug in die Arme schliesst. Sehr bizarr, sehr mystisch, sehr unerklärlich.
Jörg Koch stellte intelligente Fragen (fast zu schlau!), doch weder Tilda Swinton noch Roe Etheridge wollten den Plot genauer erklären. Was in dem Film genau passiert, soll im Auge des Betrachters liegen, meinten sie, und der Reiz des Clips sei es doch, dass es am Ende unklar bleibe, ob die Frau eine Agentin, eine Verfolgte, eine Verzweifelte oder einfach nur eine Mutter sei, die ihr Kind vom Tauchunterricht abhole. Am wenigsten sprach Haider Ackermann, der nie viel redet, doch dem das Vor-Publikum-Sitzen und Sich-Sätze-aus-den-Fingern-saugen sichtlich am wenigsten Spass machte. Schade, denn er ist ein schlauer und feinsinniger Kerl, was man etwa HIER gut sehen kann.
Die Visuals sind toll, keine Frage. Das Outfit von Tilda ist schön, die erzeugte Stimmung spannend, und auch das Auto ist, anders als in anderen Jahren, einigermassen elegant. Da gab es schon ganz andere visuelle Unglücke! Zusammen sieht das alles nun recht gut aus. Wahrscheinlich reicht das auch. Darüber hinaus alles noch erklären und ausdiskutieren zu wollen, machte aber offensichtlich keinem der drei Hauptakteure richtig Spass.