Man hat mit einer guten Portion Widerwillen die VOX-Analyse der Universität Genf zum Abstimmungsverhalten bezüglich der ‚Masseneinwanderungsinitiative‘ gelesen. Die ‚Handelszeitung‘ hat es früh kompakt zusammengefasst, siehe ARTIKEL HIER. Zwar wurden inzwischen die Zahlen korrigiert, offenbar sind es doch nicht nicht knapp 20 Prozent der unter-29-jährigen Stimmberechtigten, welche zu diesem Thema überhaupt abgestimmt haben. Der Fehler in der Erhebung rührt daher, dass man mit Befragungen via Festnetz die junge Zielgruppe gar nicht mehr erreicht. Sie haben nur noch Handy.
Dennoch: Die Altersgruppe der 18- bis 29-Jährigen hätte sich ruhig ein klein wenig engagierter gegen die SVP-Initiative‘ ins Zeug legen können, denn bei den über 50-Jährigen lag die Wahlbeteiligung bei über 70 Prozent. Doch die ‚Jungen‘ der Generation Y und Z blieben lieber im Bett, als an die Urne zu gehen, und es wie es kam: 50,3 % für den Entwurf zur Abschottung der Schweiz. Sie hätten das Zünglein an der Waage sein können, doch sie blieben lieber irgendwo hängen.
Wie erbärmlich. Ein absolut trauriges Zeugnis für die erste ‚digital geborene‘ Generation. Lebt sie inzwischen in einer elektronischen Parallelwelt? Hat sie sich, die Plastik-Beats von Dr. Dre auf den Ohren, die Red-Bull-Dose in der Hand und den Blick aufs Handy fixiert, komplett von der realen Welt abgekoppelt? Ist es diesen jungen Leuten offensichtlich total wurst, wohin dieses Land driftet? Ist es überhaupt ihr Land? Gehen die Youngsters am Samstag alle bis zur Beinnungslosigkeit zu den Ramsch-Discountern shoppen und Burger fressen, bis die Pickel spriessen, aber am Sonntag schaffen sie es nicht, vor Schliessung der Wahllokale ihre Stimme abzugeben? Dabei kann man das ja längst per Post machen, teilweise auch schon elektronisch.
It’s a big, big shame. Generation Zero, möchte man sagen. Rundum informiert und vernetzt, aber dennoch umfassend desinteressiert. Hat nichts zuwege gebracht und kümmert sich um nichts. So sieht es auch einer, der sich von Berufs wegen mit der Jugend befasst. Es ist der Kulturforscher Bernhard Heinzlmaier, der das Buch ‚Performer, Styler, Egoisten – über eine Jugend, der die Alten die Ideale abgewöhnt haben‘ verfasst hat. Es gibt einen schönen Artikel darüber in der WELT (hier). Heinzlmaier sieht ‚Die Jugend auf dem besten Weg in die Verblödung‘ (zumindest sagt dies die Überschrift der Story).
Das klingt jetzt alles wie das übliche Gemoser von alten Säcken, die mit der Jugend nicht mehr viel anfangen können. Ist es aber nicht. Bei Heinzlmaier, der Mitbegründer des Winer Instituts für Jugendforschung ist, steht ein Satz, der besonders nachdenklich macht: ‚Weil es nur noch um Einzelinteressen geht, nicht mehr um das gesellschaftliche Ganze. Wo früher die Orientierung an Traditionen Sicherheit gab, herrschen heute Beliebigkeit und Unübersichtlichkeit. Und an die Stelle von sozialen und beruflichen Kompetenzen ist vielfach die Selbstvermarktungsfähigkeit getreten. Das Produkt, das die Jugend primär verkauft, sind sie selbst.‘
Also: Diese ‚Generation Zero‘ ist für die Katz. Hat null hinbekommen und null Spuren hinterlassen, ausser Müll. Und darum ist es höchste Zeit für eine NEUE Generation. Vielleicht nennen wir sie ‚Generation Reset‘. Wenn diese Twentysomethings heute also offensichtlich nicht zu brauchen sind (und es noch nicht mal fertig gebracht haben, einen eigenen Modestil zu formulieren, der über die blosse Normcore-Banalität hinausgeht), dann möchte ich dringend sehen, wie die nächste Generation wieder aktiver an der Gestaltung unserer Welt teilnimmt. Ich habe Hoffnung.