Weil wir uns jetzt doch bereits ein Vierteljahrhundert in der deutschsprachigen Medienwelt tummeln und in dieser Zeit den einen oder anderen Akteur haben kommen und gehen sehen, werden wir immer wieder gefragt: Welche Medien, Blogs, Influencer oder sonstige Kanäle tragen in der Schweiz zur Meinungsbildung bezüglich Stil und Mode bei? Offensichtlich traut man uns zu, dass wir hierzu eine gefestigte Meinung haben. Fast wöchentlich werden PR-Agenturen, Marektingmenschen und Presse-Agenten von namhaften Marken mit dieser Frage vorstellig. Meist wird sie unverbindlich und en passant gestellt, so nach dem Motto: hast Du mir noch einen Tipp? Dahinter steht aber natürlich die Absicht, kostengünstig an funktionierende Kontakte zu kommen, um Produkte oder Dienstleistungen besser zu vermarkten. Selber recherchieren? Das war einmal!
2016 haben wir erstmals – damals für das Portal NZZ Bellevue – den Versuch gemacht, eine Liste zu machen. Der Artikel ist noch immer online, aber natürlich nicht mehr frisch. Er wurde viel beachtet, aber auch zu Recht kritisiert. Zum Teil haben wir durchaus Äpfel mit Birnen verglichen, und wir haben der Versuchung natürlich auch nicht widerstanden, den einen oder anderen Sympathiepunkt zu vergeben.
Derzeit fragen alle nach den gerade angesagten Influencer. Also nach digital begabten Einzeltätern, die mit einer raffiniert kuratierten Timeline so viele Follower erreichen, dass es ratsam erscheint, sich mit ihnen zu verbinden. Diese Selbstdarsteller zu finden ist nicht schwer: Man surft im Netz ein entsprechendes Portal an, dass die Einschaltquoten misst und bekommt eine plausible Liste, die natürlich dem ständigen Wandel der Moden und Meinungen unterworfen ist. Das Dumme ist nur: Diese Listen werten oft nur quantitative Daten aus, sie sagen noch gar nichts über die Stilkompetenz einer Person aus.
Das Portal „Like-o-meter“ bietet so einen Service an. Das Ergebnis für die Suchkriterien Schweiz / Mode / Influencer sieht Mitte Mai 2019 so aus:
- Kristina Bazan, Kayture
- Xenia Tchoumi, Chic Overdose
- Loredana Z.
- Dzana Dzzyzzle
Alle vier Damen sind jung, schön und folgen einem extrem aufgedonnerten Schönheitsideal, das eher im Balkan als im Alpenland verwurzelt scheint. Gerade über Loredana weiss man inzwischen, dass der ganze Glanz auch seine matten Seiten hat. Mit Style hat das alles nichts zu tun, viel eher mit feuchten Träumen von Pubertierenden oder plastischer Chirurgie. Mode und Eleganz sähen anders aus.
Wenn also die zahlenbasierte Vergleichsmethode nichts bringt, wie findet man sie dann, die stilbildenden Meinungmacher unserer Zeit? Man könnte etwa das Zentralorgan der jungen Zielgruppe fragen, das Magazin „Friday“ von 20minuten/Tamedia. Die müssen ja am Puls dieser Szene sein. Mit wenig Aufwand findet man dort auch zahlreiche zumeist unkritische Berichte über Blogger und Influencer, die gerade schwer angesagt zu sein scheinen. Unter dem Titel „Diesen Schweizer Influencerinnen folgen wir jetzt“ präsentierte „Friday“ im Sommer 2018 folgende Hitliste:
- @mayaslittlejourney (14’700 Abonnenten)
- @sarah_fashionboho (11’110 Abonnenten)
-
@sindiarifi (328’000 Abonnenten)
- @victoria_steiner (9’365 Abonnenten)
Letztgenannte, mit unter 10’000 Fans, war „Friday“-Praktikantin und ist jetzt freie Stylistin für das Magazin – womit ein Verdacht auf der Hand liegt, was in diesem Text das massgebende Kriterium war: es ist die Sympathie – an sich nicht die schlimmste Messlatte. Mit Willkür wurden Instagram-Akteurinnen aufgezählt, die erstens ins Schema des Zielpublikums von „Friday“ passen und zweitens Freunde, Buddys oder dergleichen sind. Auch hier folgt die Ästhetik einer gängigen Typologie: Die Frauen sind um die zwanzig Jahre jung, haben langes Haar, einen offenbar umfangreichen Kleiderschrank und posieren gerne mit halb geöffnetem Mund. Das Verfallsdatum dieses Textes war im Titel gleich mit eingebaut: „Jetzt“ ist heute schon nicht mehr frisch. Der Artikel war eine Momentaufnahme, mehr nicht.
Es herrscht also die reinste Willkür – andererseits: Welche objektiven Kriterien gäbe es denn, um Stilkompetenz zu messen? Tappt man nicht sowieso in die Sympathie-Falle, ganz egal, welchen Massstab man benutzt?
Hier sind also, in nicht-relevanter Reihenfolge und als rein „inspirative“ Liste von begrenzter Haltbarkeit, unsere zwanzig Namen von sympathischen Digital-Akteuren, die wir als stil-relevant anschauen. Wenn wir etwas mit Stil zu vermelden hätten, so würden wir uns wünschen, dass diese Personen davon wissen. Nicht mit allen davon würden wir gerne lunchen oder einen Abend verbringen, geschweige denn die Garderobe tauschen. Aber unter dem Aspekt der Modegewandtheit, Internationalität und wie auch immer gelagerten Stil-Beflissenheit muss man folgende Personen oder Formate auf dem Radar haben (Aufzählung unvollständig):
- Sylwina – Health-Food-Maniac Sylwina Spiess ist ein hübscher Sonnenschein und ziemlich smart.
- Lips Brothers – jaaa, es gibt auch bloggende Burschen, Moritz und Oliver machen es gut.
- Peace Club / Burning Lights – eine Art pazifistische Achtsamkeits-Sekte aus Zürich, sehr eigen.
- Andrea Monica Hug – war mal unsere haushohe Favoritin, bleibt eine tolle Fotografin.
- BlaaaBlaaa – Dominique Feusi ist mit allen Wassern gewaschen und obendrein witzig.
- Hey Pretty – Beauty-Bloggerin Steffi Hidber-Thierstein ist lustig und steht abseits der Standards.
- Jorge Guerreiro – Als JSBG beschäftigt sich der Romand mit Männerhobbys wie Autos und Uhren.
- Inattendu – es muss nicht immer nur um Fashion gehen, Tine Fleischer hat ein gutes Auge für Interior.
- Sonrisa – das Beauty-Blog von Kathrin C. Roth ist offen, sympathisch und ungekünstelt.
- Alessandro Paoletti – der Mann mit dem interessantesten Style von ganz Zürich.
- Annina Frey – die modemutigste und eigenwilligste Moderatorin, die SRF je hatte.
- Zoé Pastelle – der Mix aus Sexappeal, Jugend und Cleverness macht’s aus.
- Blaastyle – Romina Choun aus Lausanne hat den richtigen Groove drauf.
- Max Knobel – ein Gentleman-Connaisseur mit viel Stil und Sachkenntnis!
- The Fashion Fraction – Modebloggerin Michèle Krüsi ist nicht sehr originell, aber konsistent.
- Her Etiquette – Nel-Olivia Waga is oh-so-posh!
- Gerold Brenner – der eigenwilligste Bart der Branche liebt Denim und Männer-Röcke.
- Sandra’s Closet – Glam-Queen Sandra Bauknecht ist ein Charakter, das muss man ihr lassen!
- Kevin Lütolf – der junge Superhecht mit dem Sixpack und der Tolle ist ein idealer Millennial-Man.
- Philipp Junker – der erfahrenste und entspannteste Schweizer Stylist hat ein eigenes Niveau.
This is it – für den Moment. Jeder darf es anders sehen, Objektivität wurde nicht reklamiert.
