Guten Tag Herr van Rooijen, ich bin ein Fan von Ihren Beiträgen und möchte Sie um einen Rat bitten. Ich bin auf der Suche nach einem Geschenk für eine gute Freundin, welche bald ihren 50. Geburtstag feiert. Sie hat einen guten Geschmack, liebt Mode, ist immer wieder auf der Suche nach einem neuen Look, probiert gerne aus, und ihre Gesellschaft ist stets angenehm. Kennen Sie eine Adresse im Raum Zürich, wo man eine kompetente und stilvolle Farbe- und Stilberatung bekommt? Oder ein Umstyling? Julia J.
Danke für Ihre liebenswerten Zeilen. Ich bin ein bisschen in der Defensive, was die Antwort betrifft. Denn es gibt viele Stylisten, die sogenannte „make-overs“ anbieten und auch als „personal shoppers“ aktiv sind. Das „Sich-verwandeln“ ist ja auch ein beliebtes Thema für Fernsehshows (da finde ich Guido-Maria Kretschmer sehr okay). Aber es fällt mir schwer, eine bestimmte Person zu benennen, die ich in diesem Fall als geeignet anschaue. Einige dieser Dienstleister mag ich als Menschen sehr – den eleganten und eloquenten Clifford Lilley (Bild) etwa, oder auch die umtriebige und immer fröhliche Luisa Rossi, um die „Marktführer“ zu nennen –, aber ich habe keine Erfahrung bezüglich der Frage, wie sich eine individuelle Farb- und Stilberatung unter ihren Fittichen anfühlt.
Eigentlich, so denke ich manchmal, müsste es diese Dienstleister nicht geben. Wenn die Leute frei und sicher genug wären, sich typgerecht, souverän und selbstbewusst anzuziehen. Wenn Bekleidung endlich auch als das verstanden würde, was es ist – nämlich eine Kultur – und entsprechend schon in der Schule gelehrt würde. Wir alle müssen Algebra und Physik lernen, obwohl die wenigsten von uns Physiker und Mathematiker werden. Aber wie man sich anzieht – und das müssen nun wirklich ausnahmslos alle, auch die Nudisten manchmal –, das wird einem nirgends und nie vermittelt. Irgendwie ist das schräg, gerade wenn man bedenkt, dass heute Äusserlichkeit doch einen erheblichen Stellenwert hat.
Es müsste auch keine Stylisten und Umstyler geben, wenn der Fachhandel etwas besser wäre – wenn „Modeberaterinnen“ in den Läden auch wirklich das tun würden, was dieser Name sagt, und nicht nur einkassieren und Gestelle nachfüllen. Daher meine ich: Ziehen Sie mit Ihrer Freundin einmal ausgiebig durch die besten Läden, die Ihnen einfallen. Meiden Sie die grossen Filialisten und die ausgereizten Hauptachsen, sondern gehen Sie in kleine, inhabergeführte Läden in den Quartieren. Da treffen Sie oft noch auf Menschen, die etwas von ihrem Metier verstehen und einem auch wirklich helfen.
Ich hoffe, Sie werden irgendwo in einem guten Laden fündig. Wenn Sie Inspirationen brauchen, schauen Sie schon mal auf storesandgoods.com rein, dort sind viele solcher Geschäfte aufgeführt, in denen die Inhaber noch selbst mit ihrem guten Namen für die Produkt- und Beratungsqualität stehen.
Dirk
Wahre Worte. Die Sache ist, dass viele von uns vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr sehen. Man weiss nicht, wo anfangen. Etwa wenn man sich nie etwas aus Kleidern gemacht hat. Die Berater, die auch noch etwas von Stoffen und Qualitäten wissen, sind verschwunden. Was man trifft, sind reine Verkäufer, am Wochenende oft Studenten. So konnte es passieren, dass man mir meinen ersten Anzug eine ganze Nummer zu klein verkaufte. Ein alter Herrenschneider klärte mich dann auf.
Wo Stilberatung Sinn ergibt, ist: a) Leuten Blockaden aus dem Kopf zu reden („Lederjacke is nix für mich“, „rosa Hemd auf keinen Fall“ usw.), b) ihnen Möglichkeiten anhand der Figur/des Typs zu bieten auf die sie selber nicht gekommen wären, weil sie sich nicht trauen oder sicherheitshalber immer ähnliches kaufen, c) Bewusstsein um den eigenen Körper, d) eine gewisse Ordnung, etwa: jedes Stück das man kauft, sollte mit 3 anderen kombinierbar sein, so dass man nicht immer vorhersagbar kombiniert und der Kleiderschrank nicht aus Unikaten besteht. Auf die Weise beigebracht, macht’s Spass.
Der alte Herrenschneider sagte: Der Verfall des Tuch-wissens sowie einer gewissen Ästhetik des Anziehens kam gleichsam mit den Kollektionen. Merkbar wurde das in den 50ern, vor allen Dingen 1960ern. Kein Handwerker konnte so schnell produzieren wie es neue Kollektionen gab, geschweige denn modische Trends aufgreifen, die die Jugend verlangte.