We are Touring, Part II

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Seit Anfang 2022 schreibe ich eine regelmässige Kolumne zum Thema Stil & Verkehr für die Zürcher Sektion des traditionsreichen TCS Touring Clubs Schweiz. Die Kolumne erscheint gedruckt mit einer Auflage von 684’000 Exemplaren in deutscher Sprache, aber auch online (Hier, bitte).

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Damit schliesse ich an eine Story an, die vor fünf Jahren in ebendiesem Magazin des TCS erschien – ich war auf einer Doppelseite zu sehen, es ging schon damals um Stil und Rücksicht im Verkehr. Fünf Jahre später wird das Thema nun also regelmässiger Fokus. Das freut mich. Hier ist die jüngste Kolumne:

Wer sich mit Kleidung und Mode beschäftigt, ist nach einiger Zeit in der Lage, einem Menschen aufgrund seines Outfits Wesensmerkmale zuzuschreiben – oder so etwas wie ein Psychogramm zu erstellen. Ähnlich dürfte es Physiotherapeuten ergehen, die Passanten beobachten: Aus der Postur, Haltung und der Bewegung eines Menschen lassen sich viele Rückschlüsse über seine Lebensweise und Eigenart ziehen. Nicht zufällig hat das Wort „Haltung“ zweierlei Bedeutung. Nehmen Sie sich also in acht, wenn Sie unterwegs sind: Sie werden immer und überall gescannt – nicht nur von der Polizei.

Schauen wir uns die Velofahrer an: Da gibt es den aufrecht wie ein Speer auf seinem Sattel sitzenden Cruiser, der geraden Blickes über die Dächer des Verkehrsstroms heraus lugt: Eindeutig ein radelndes Alphatier mit Hang zum Control Freak. Man kennt den tief über seinen Lenker gebeugten Kampradler, der fast an seiner Lenkstange nuckelt: er fordert immer viel Raum, sogar dann, wenn er ihn streng nach Gesetz gar nicht hätte. Des weiteren gibt es den locker im Sattel hängenden Chiller mit rund gebogenem Rücken – Speed ist sein Ding nicht, er will auch unterwegs easy abhängen, auf breiten Reifen und in ebensolchen Hosen. Oder der mit abgespreizten Ellbogen an seinem Lenker rupfende Strampler: Der Büezer und Beisser auf zwei Rädern, der nicht zum Spass unterwegs ist.

Bei den Motorradfahrern gibt es ähnliche Fraktionen. Der, der mit seiner Brust auf dem Tank liegend durch die Gegend donnert, ist ein anderer Charakter als jener Biker mit dem Ape-Hanger-Lenker, dessen Sitzbank eine Rückenlehne hat. Der breitbeinig auf der Enduro-Maschine thronende Fahrer mit Helmkamera ist ein anderer Typ als der in einer Steve-McQueen-Lederjacke durch die Stadt tuckernde Vintage-Poser auf seinem blitzblanken Coffee Racer. Mit Rennfahren hat dieser Lifestyle tatsächlich wenig zu tun, Glanz und Müssiggang sind hier das Leitmotiv. An der Art und Weise, wie er die hirschledernen Handschuhe auszieht und auf die Sitzbank legt, lässt sich sein verfeinerter Lifestyle erkennen.

Heiter ist es auch, die vierrädrige Spezies im Verkehrsstrom nach Haltungsmustern zu sortieren. Man nehme sich stets in Acht vor jenen Damen, deren Rückenlehnen senkrecht aufragen und die sich beidhändig ans Lenkrad klammern, wie wenn sie in einem Schraubstock eingespannt wären. Sie neigen zu ruckartigen Spurwechseln! Ihre Antipode sind jene übercoolen Poser mit den präzis ausrasierten Schläfen, die so tief im Sessel liegen, dass man sie hinter der B-Säule kaum noch sieht. Sie spähen durch einen schmalen Schlitz zwischen Armaturenbrett und Lenkrad, sehen folglich kaum etwas vom Verkehr und verhalten sich so, wie wenn sie alleine auf der Piste wären. Blinker betätigen? Wozu denn, man weiss ja, wo’s lang geht!

Alles nur Klischees? Das glaube ich nicht! Nicht nur an seiner Klamotte, sondern auch an seiner Haltung erkennt man einen Menschen. Zu Fuss, auf zwei oder vier Rädern.

 

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