Hier auf vanrooijen.ch war es den Sommer durch ungewöhnlich lange ruhig. Das liegt zum einen am Wahnsinns-Sommer 2015, der einen ins Freie statt vor den Bildschirm lockte, zum anderen an einer zweimonatigen Arbeits- und Digitalpause, die wir uns selbst auferlegt hatten. Von 1. Juli bis 31. August wollten wir möglichst wenig schreiben, e-mailen, bloggen, posten und sonstwie die Zeit verdaddeln, sondern in uns gehen um nachzudenken, wie wir nach fast 25 Jahren Berufsleben (ohne Pause oder Lücke) das nächste Vierteljahrhundert bestreiten wollen.
Zwei Monate Auszeit – wie verändert so etwas einen? Wird man zu einem anderen Menschen, wenn man eine ungewöhnliche lange Zeit vom Alltag und den Zwängen des beruflichen Daseins Abstand nimmt?
Die Antwort fällt – in unserem Fall – uneindeutig aus. Zum einen merken wir: Abstand tut sicher gut, weniger Digital-Gedödel macht einen weniger nervös und man sieht seine eigene Talente und Defizite klarer, wenn man mal nicht jeden Tag damit zu tun hat. Insofern war diese Entscheidung absolut richtig, auch wenn sie bei zwei Selbständigen natürlich ein grosses Loch in die Kasse reisst.
Wir haben diese Zeit sehr genossen. Wir waren in Basel, Stuttgart, Berlin, Amsterdam, Utrecht, Eindhoven, Rotterdam, Zürich und dazwischen die meiste Zeit am schönsten See Europas, am Boden- und Untersee. Dieses Gewässer ist für uns ein grosses Geschenk und gerade im Sommer überlebenswichtig. Unverständlich, dass man an die Adria fahren muss, wenn man Anstoss an eine solche Naturschönheit hat!?
Andererseits haben wir nach acht Wochen auch festgestellt, dass wir das, was wir vor dem 1. Juli 2015 taten, irgendwie schon gerne tun und vielleicht auch nicht schlecht beraten sind, es weiter zu verfolgen. Wir werden also keine Biobauern, hauen auch nicht nach Goa ab und eröffnen kein B&B im schottischen Outback, sondern werden weiterhin über Mode schreiben und diese selber auch herstellen, denn das ist es, was wir können und mögen, wofür wir geschätzt und (teilweise) auch gut bezahlt werden.
Es gibt zum einen einen Markt für gut sortierte Buchstaben, und den wollen wir weiter bedienen. Am liebsten mit regelmässigen redaktionellen Aufgaben (wie sie am kommenden Wochenende auch wieder sichtbar werden), aber durchaus auch mit ausgewählten unternehmerischen und kommerziellen Projekten, für die ein kompetenter Text gebraucht wird. An drei Tagen pro Woche – Montag bis Mittwoch – soll dieser Teil unseres Tuns Priorität haben. Wir wollen auch den eigenen Kanal – also dieses Forum – wieder viel bewusster pflegen, weil er unser authentischster ist. Deswegen auch das opulente Bilderalbum …
Dann wird es künftig mindestens zwei Tage in der Woche geben, an denen wir im Atelier arbeiten, und zwar an eigenen modischen Produkten und Projekten. Wir wollen wieder an die eigenen Ideen anknüpfen und selektiv auch mit spannenden Auftraggebern Prototypen und Kleinkollektionen für besondere Zwecke entwickeln. Dafür beziehen wir Mitte September ein neues Heim und Atelier, das diese Entfaltung auch räumlich ermöglicht.
Was die digitale Dauerbelastung angeht, so stellen wir nach zwei Monaten aber auch fest: Es geht nicht mehr ohne. Die elektronische Kommunikation hat unser Leben schon zu weit durchdrungen und geprägt, um noch einen gangbaren Rückweg zu finden. Das einzige, was wir tun können, ist uns selbst zeitlich und inhaltlich zu disziplinieren und uns auf das Wesentliche zu beschränken. Will heissen: Texte werden so knapp und präzis wie möglich, E-mail nur noch einmal am Tag (vor zehn Uhr morgens) und kein Gedaddel, während man isst, geht, im Bett liegt oder auf das Tram wartet. Es ist hart, aber wir arbeiten daran…
Warum Digital Detox Nonsense von Privilegierten ist | Schule und Social Media
[…] sei es einem Stilexperten, der sich eine Auszeit leisten kann, um sich zu überlegen, wie er an »gut bezahlte« Aufträge kommt, nachgesehen, dass er ein falsches und widersprüchliches Konzept propagiert. Aber zu bedauern ist […]
Jeroen van Rooijen
Vielen Dank für den Einwurf, Monsieur Wampfler. Ich habe in dem Artikel vor allem eine Selbstdiagnose gestellt, die für mich gilt. Wenn Sie es anders machen wollen – bitte schön, ich steh Ihnen da sicher nicht im Wege.