Is the tie really dead?

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Kürzlich sandte mir ein Bekannter via Facebook triumphierend via Facebook den Link zu einem Artikel aus dem NZZ Feuilleton, in dem der Autor Paul Jandl die Krawatte zu Grabe trägt. Sein «Nachruf auf das überflüssigste Kleidungsstück der Welt» ist schreiberisch toll, der Mann hat eine elegante Feder. Man liest das Stück gerne, die Argumente sind schlüssig aneinander gereiht.

Jandl schreibt, die Krawatte stehe heute nicht mehr für Seriosität, sondern eher für das Gegenteil davon. So seien spätestens seit der  Finanzmarktkrise 2018 «Seriosität und Krawatte nicht mehr eins». Jandl weiter: »Wer Schlips trug, konnte Banker sein oder eben <Banker>. Beides war ungefähr gleich schlimm.»

Vintage-Krawatte aus den 1950er Jahren von Tommy Page Club Clothiers, Amsterdam.

Vintage-Krawatte aus den 1950er Jahren von Tommy Page Club Clothiers, Amsterdam.

So denken und argumentieren Männer im Herbst ihres Lebens… und davon hat es in der NZZ ja doch einige. Es ist die Sichtweise von Männern in mittleren Jahren, also zwischen 1960 und 1980 geboren, die zwar noch den alten «Krawattenzwang» von einst kannten, das Accessoire aber schon hassten und nach Möglichkeit nicht trugen. Diese Männer können in der Regel nur einen einzigen Krawattenknoten, wenn überhaupt. Jandl zählt einige mehr auf, ich habe also für ihn noch Hoffnung.

Ich meine: Zum Glück ist die Krawatte nicht mehr das Statement der alten Klasse der Business-Popanzen und Wichtigtuer, sondern wieder das Vergnügen von Menschen, deren textile Kultur etwas weiter als bis zum nächsten Outlet reicht. Sie ist ein fakultatives Accessoire, das inzwischen nur noch Kenner tragen. Sie schmückt ein Outfit und sorgt für einen Farbtupfer. Ein Azug ohne Krawatte geht, aber ist wie Brot ohne Butter: ein bisschen trocken und freudlos. Und sollte die Krawatte heute tatsächlich für unseriöse Charaktere stehen, so fände ich das auch gut: Umso dringender sollten wir die Krawatte nun tragen – als Plädoyer für die Zweckfreiheit und Un-Ernsthaftigkeit… Und je mehr Langweiler sie ausziehen, umso besser!

Ich bin mir sicher: Die Krawatte ist nicht tot – sie erfindet sich gerade neu. Für neue Männer, mit einer neuen Lust am Detail. By the way: Wer solche neuen, andersartigen Krawatten sehen will, die man auch casual tragen kann, etwa am Freitag («Friday is Tieday»), der findet diese bei uns im Cabinet in Zürich – handgemacht und jede einzigartig.

 

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1 Comment

  • Antworten Juli 10, 2019

    Bart

    Jandl hat recht und auch nicht. Zuletzt war die Krawatte nur noch ein gleichgültiges Bestandteil einer schlecht sitzenden Business-Uniform, deren Ästhetik die Träger nicht mehr kapierten.
    Zu meinem ersten verklebten Sakko von C&A, einer wahren Schwitz-maschine, kam mir eine Krawatte als eine extra Marter vor.
    Wer heute Krawatte trägt, tut dies bewusst, gibt ein Statement von sich. Die Krawatte ist (ähnlich wie die schon beerdigte LP) freigeschaltet. Somit gibt’s wieder Raum für Kreativität und tolle Qualitäten.
    Die Krawatte ist tot, es lebe die Krawatte.

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