Heute Sonntag, 3. Juli 2016 in der „NZZ am Sonntag“: Das Porträt der Ostschweizer Ex-Wirtefrau Agi Ukatz, die wir bei Würth in Rorschach trafen – eine inspirierende und erfreuliche Persönlichkeit von grossem Anmut und einer aussergewöhnlichen Liebenswürdigkeit. Sie stach auch visuell mit grossem Abstand aus der Menge der Gäste heraus. Hier kommt der Text.
Die Ostschweizerin Agi Ukatz trägt gerne Hüte. Denn aufzufallen bereitet der fröhlichen Seniorin kein Kopfzerbrechen, sondern eine Freude, die ansteckend ist.
Sonntagmorgen um elf Uhr in Rorschach am Bodensee. Der Wind treibt, wie so oft in diesem Sommer, graue Wolken übers Wasser, die Wellen haben kleine Schaumkronen. An die tausend Menschen strömen zum gläsernen Würth-Haus, wo die Ausstellung «Werke aus der Swiss Textile Collection und Sammlung Würth im Dialog» eröffnet wird. Die Sonderausstellung (bis Ende Februar 2017) zeigt Exponate aus einer bedeutenden Schweizer Haute-Couture-Sammlung.
Nach der Ansprache der Gastgeber strömen die zwar zumeist ordentlich, aber selten aufregend gekleideten Gäste aus den Vortragssälen zum Buffet im ersten Stock, und mittendrin entdecke ich eine veritable „Grande Dame“: Agi Ukatz, 65, aus dem ostschweizerischen Wolfhalden. Sie trägt ein silbergraues Hosen-Ensemble aus Seide, eine Weste aus bunten St. Galler Pailletten und einen ausladenden Hut. Festlich, wie man es nicht mehr oft sieht!
„Alles selber entworfen und eigens für mich gefertigt“, erklärt Agi Ukatz stolz, als ich ihr ein Kompliment zum Outfit mache und sie bitte, vor dem Werk von Bernar Venet für ein Foto zu posieren. Sie willigt ein und erzählt ihre Geschichte. Lange Jahre führte sie mit ihrem Mann das Urwaldhaus zum Bären in Rehtobel, „und das Restaurant war für mich immer eine tolle Plattform, mich zu präsentieren“, so Agi Ukatz. Doch vor einem Jahr verstarb ihr Gatte. „Sein Tod hat meinen Lebensweg sehr verändert“, sinniert Agi Ukatz, „doch das bedeutet jetzt nicht, dass ich den Rest meiner Tage jammernd zu Hause sitzen müsste.“
Stattdessen geht Agi Ukatz gerne unter die Leute: „Ich bin es meinem Mann schuldig, das Leben zu geniessen.“ Und immer trägt sie einen Hut, selbst entworfen und von einer Modistin in St. Gallen gemacht. Schon als Sechzehnjährige habe sie schon meistens Hüte getragen – „und das ist nun doch schon ein Weilchen her“, wie Ukatz lacht. Selbst wenn sie ins Schwimmbad geht, und das tut die rüstige Dame sechs mal pro Woche, trägt sie einen Hut. Der Hut, den Agi Ukatz in Rorschach trug, gehört allerdings ihrer Tochter. „Ich habe mir erlaubt, ihn auszuleihen, weil er so gut zum Outfit passt“, erklärt sie. Der Hut nimmt die Farben ihrer selbst in tunesischer Technik gehäkelten Strickjacke auf, die sie über den Arm gelegt hat.
Ihr Flair für Mode sei ihr in die Wiege gelegt worden, ist Agi Ukatz überzeugt, denn sie kommt aus einer Rheintaler Stickereifamilie. „Daher habe ich immer ein Flair für gute Stoffe gehabt“, sagt sie. Und sie schätzt bis heute jede Gelegenheit, sich gut anzuziehen. Dass dies zunehmend aus der Mode kommt, lässt die fröhliche Agi Ukatz für einen kurzen Moment ernsthaft werden: „Wenn ich so in die Runde schaue, denke ich manchmal, ob die Leute keine Fantasie mehr haben? Solche Anlässe verpflichten doch?“