Am Sonntag, 8. Mai 2016 in der „NZZ am Sonntag“ erschienen: Mein Porträt des Zürcher Industriedesigners Cristoffel Bonorand auf seinem selbst geschraubten Cargo-Velo. Ich kenne Cristoffel seit einigen Jahren, zuerst als Teilnehmer des jährlichen „Saturday Style Rides“, später auch als Kunde bei AP&CO und schliesslich als netter Bekannter im Quartier, wo wir derzeit die meiste Zeit verbringen, im Kreis 5 in Zürich. Cristoffel ist immer tipptopp gekleidet, immer kultiviert, interessiert und in der Lage, sich gepflegt zu artikulieren. Das ist selten. Ich freute mich deshalb sehr, als ich ihn Anfang April auf dem Turbinenplatz fotografieren konnte. Zuvor waren wir den „City Ride“ gefahren, eine bunte Velotour durch Zürich, die von der Route her stark an den letztjährigen Style Ride erinnerte – einfach dann ganz ohne Style. War trotzdem lustig und sympathisch.
Hier kommt der Text aus dem „Stil-Magazin“, welches passenderweise den Themenschwerpunkt „Design“ hatte:
Zum Velofahren eine Krawatte anziehen – muss man nicht, doch der Wahlzürcher Cristoffel Bonorand tut es, weil er sich gut fühlt, wenn er gepflegt angezogen ist.
„Industriedesigner“ ist der sprödeste Begriff für einen Beruf, der mutmasslich ziemlich cool ist. Doch Cristoffel Bonorand, 33, verwendet ihn gerne. „Weil er am präzisesten beschreibt, was ich tue“, sagt der in Zürich lebende Bündner. Bonorand arbeitet in einer Zürcher Designagentur, vorwiegend an Schienenfahrzeugen. Privat schlägt sein Herz stark für Zweiräder. Und manchmal, wie an jenem Aprilsonntag, an dem ich ihn am Turbinenplatz in Zürich traf, auch für Dreiräder.
Denn Cristoffel Bonorand ist nicht nur Designer, Fahrradfreund und passionierter Freizeit-Fotograf – seine Sammlung umfasst diverse Leicas und Hasselblads –, sondern auch Schrebergärtner. Mit seinem Bruder teilt er sich einen „Pflanzblätz“ am Uetliberg. Um Geräte, Erde und Ernte dorthin und wieder zurück zu kutschieren, hat er sich im Internet ein ungewöhnliches Do-It-Yourself-Lastenrad aus Kopenhagen bestellt. Bonorand gefällt die Open-Source-Idee des XYZCargo-Dreirads aus Aluminium: Man schraubt es selbst zusammen und spart so massiv Kosten. Dass das Vehikel auffällt, weiss Bonorand: „Ich bin vermutlich der einzige in Zürich mit diesem Velo.“
Wenn Cristoffel Bonorand aufs Velo steigt, dann zieht er sich gerne gut an. Mit T-Shirt, Hoodie oder Jogginghosen wird man den schlanken Ästheten nie sehen. Dafür häufig mit Krawatte – auch an einem Sonntag. Bei unserer Begegnung ist es eine gestreifte Strickkrawatte von AD56 aus Mailand, das Bonorand zu einem hellblauen Hemd von H&M und einem Strick-Pullunder von GRP trägt. Die Velofahrer-Jeans ist aus aus der „Commuter“-Kollektion von Levi’s, seine Boots von Red Wing und die Schiebermütze von Stetson. Die Brille von Mexx ist schon zehn Jahre im Einsatz. Und an Bonorands Schulter hängt eine Canvas-Fototasche von Billingham aus England.
„Wenn ich rausgehe, ziehe ich mich gerne gut an“, erzählt Cristoffel Bonorand, „Man mag das altmodisch finden, aber ich würde mich unwohl fühlen, wenn ich im Jogginganzug einkaufen gehe.“ Sein Umfeld habe sich inzwischen daran gewöhnt, dass er oft Krawatte oder Fliege trägt. „Am Anfang wurde ich häufig gefragt, ob ich einen wichtigen Termin oder so habe – heute ist es eher so, dass ich Aufsehen errege, wenn ich mal ohne Schlips auftauche.“
Wenn Cristoffel Bonorand einkauft, dann gezielt: „Ich gehe in Läden, die ich schätze und suche mir dort bewusst etwas Gutes aus.“ Dabei sei das Gefühl, das einem Kleidung vermittle, für ihn wichtiger als nur der Zweck. Der Produktgestalter ist also kein orthodoxer Verfechter der weit verbreiteten „Form follows function“-Doktrin. Und auf die Frage, was gutes Design sei, entgegnet Bonorand: „Gutes Design liegt immer im Auge des Betrachters. Ich habe gerade angefangen, ein Buch von Jasper Morrison darüber zu lesen und ich hoffe , nach der Lektüre eine gute Antwort darauf zu haben.“