Sonntagsoutfit – Gerold Brenner, Basel

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Die heute Sonntag, 22. November 2015 erschienene Folge des „Sonntagsoutfits“ in der „NZZ am Sonntag“ handelt von einer nicht ganz zufälligen, aber dennoch sehr überraschenden Begegnung in Basel. Mit dabei: Superbart Gerold Brenner, einer der buntesten Hunde im Schweizer Dreiländereck.

Wer in der Mode tätig ist und regelmässig an die Pitti Uomo fährt, der kennt Gerold Brenner. Er ist unverkennbar. Er hat nicht nur einen imposanten Rauschebart, sondern auch einen sehr eigenen, unorthodoxen Stil, der sich nicht so schnell einordnen lässt. Gerold Brenner experimentiert mit sich selbst. Und ist deshalb auch auf Styleblogs rund um den Globus ein fester Charakter. Wir kennen Gerold seit einigen Jahren schon und haben ihn auch schon mit der Videokamera zuhause besucht – siehe 90sec.ch.

Nun waren wir also an einem herbstlichen Sonntag in Basel und tigerten herum – und sahen nichts und niemanden, der das Auge erfreut. Es waren zwar viele Touristen und wohl auch einige Einheimische auf den Strassen unterwegs, aber niemand, den man auch nur als leicht überdurchschnittlich angezogen hätte bezeichnen können. Wir sahen unseren Tag schon ergebnislos enden, als ich beschloss, Gerold anzurufen. Er war glücklicherweise in Basel und zeigte gerade einem Freund die Altstadt. Wir also dorthin. Und der Tag war gerettet! Denn Gerold Brenner geht auch an einem Sonntag nicht nachlässig gekleidet aus dem Haus. Wir schossen einen ganzen Reigen von Bildern an verschiedenen Orten der Basler Altstadt, siehe Galerie am Schluss des Beitrags. Und es war schnell klar: Gerold ist nicht nur ein grosser Styler, begabter Handwerker und wunderbarer Mensch, sondern auch ein zuverlässiges Model!

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Hier ist also der Text aus „NZZ am Sonntag“ von heute:

Basel ist für den Sonntags-Stil-Jäger kein ideales Pflaster. Die stilistische Zurückhaltung, welche die Basler auszeichnet, ist an Ruhetagen noch ausgeprägter. Sogar jene, die am Sonntagabend im Stadtcasino ins Konzert gehen, tun dies in den unauffälligsten Klamotten, die man sich denken kann. Da kann man von Glück reden, wenn man in den Gassen der Altstadt auf Gerold Brenner trifft – der gebürtige Lindauer ist einer der buntesten Charaktere der Stadt und mit seinem unverkennbaren Stil ein internationaler Street-Style-Star geworden.

Der gelernte Herrenschneider flaniert an Sonntagen gerne durch die St. Alban-Vorstadt oder am Rhein: „Ich fühle mich hier manchmal ins Mittelalter versetzt, als ob man durch eine Szene aus Narziss und Goldmund spaziert.“ Dass sich die Leute nach ihm umdrehen, weiss er. Aber es ist nicht sein Ansporn, zu provozieren. „Ich kleide mich nicht bewusst auffällig“, sagt Gerold Brenner, „Es passiert einfach. Zwar würde ich mich manchmal auch ganz gerne puristisch anziehen, aber es gelingt mir nicht.“ Und dann ist da natürlich sein Markenzeichen, der Vollbart. „Ich trage ihn schon, seit ich den ersten Flaum hatte“, sagt Brenner, „Seit einigen Jahren trage ich ihn länger – weil Bärte jetzt auch in Mode sind, wird man nicht mehr so leicht als Penner angeschaut.“

Als wir Gerold Brenner treffen, trägt der 53-jährige ein blaues Jackett von Montedoro, hochgeschlagene Raw-Denim-Jeans von Men without a country aus den USA, einen Jacquard-Schal von Kenzo, einen kleinen Porkpie-Hat (ohne Marke), gemusterte Socken von Ralph Lauren und braune Tassle-Loafers von Fairmount. Besonderes Merkmal: Unter dem bunten Fair-Isle-Pullover von Tommy Hilfiger schaut ein langes weisses Nachthemd von Venus & Jules aus Paris hervor, das sich wie ein Röckchen über Brenners Hüften kräuselt.

Besonders stolz ist Gerold Brenner auf seine komplett von Hand genähten Denim-Shopper. Seit dem Sommer schneidert er wieder selbst: „Nähen ist für mich wie Meditation – es macht mich glücklich.“ Als er nach 25 Jahren Abstinenz wieder zu Schere und Nadel griff, war das eine Art Befreiung. „Am Anfang fehlt ein bisschen die Schnelligkeit, aber man verlernt es nicht, das ist irgendwo tief drin gespeichert“, sagt Brenner. „Vor einigen Wochen habe ich wieder ein Handknopfloch genäht, und es ging vom ersten Stich an gut.“ Manchmal näht er nächtelang, sagt Brenner, ohne zu merken, dass es wieder Tag wird.

Mit seinen Kreationen will Gerold Brenner, der selber jahrelang „im mittelmodisch-mittelpreisigen Segment für die Industrie“ tätig war, ein Zeichen gegen Wegwerf-Gesellschaft setzen. „Ich habe in meiner Karriere den Wertzerfall der Mode erlebt und so manche Produktionsstätte gesehen, hinter der man nicht stehen kann“, sagt er nachdenklich. Darum möchte er nun „nur noch Dinge herstellen, die ein Leben lang halten“. Seine Kunden findet er im Internet, denn Gerold Brenner ist nicht nur ein talentierter Handwerker, sondern auch ein gut vernetzter Social-Media-Addict.

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