Sonntagsoutfit: Julia Marx, Zürich

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Am Sonntag, 31. Januar 2016 ist eine – nach meinem Empfinden – besondere Folge des „Sonntagsoutfits“ in der Stil-Beilage der NZZ am Sonntag erschienen. Es geht um die in München geborene, seit 21 Jahren in der Schweiz lebende Julia Marx, die sich komplett im Stil der 40er Jahre kleidet. Ich traf Julia erstmals vor wenigen Wochen, als wir ein Gespräch über den „Saturday Style Ride“ führten. Dabei wurde mir klar, dass ich sie von dort kannte – sie hatte 2014 mit ihrem damaligen Partner den Preis als „most charming couple“ am jährlichen Zürcher Velotag für Gutgekleidete gewonnen.

Ich fragte Julia, ob ich sie porträtieren dürfe – sie willigte ein. Wir verabredeten uns also für ein Fotoshooting im wunderbaren Park der Villa Patumbah in Zürich. Dies war einmal ein absolut magischer Ort, doch seit der Überbauung der Hälfte des Parks kann man eigentlich nur noch von einem „Patumbah-Garten“ sprechen, und auch die einst wundervoll-vergammelte Traumvilla ist heute ein schweizerisch-perfektionistisch renoviertes Prunkstück mit Investitionscharakter statt Charme. Es residiert dort ein Verein ultraorthodoxer Heimatschützer. Egal, das Treffen mit der makellos zurechtgemachten Julia Marx war für mich ein Highlight, und die Bilder sind gut geworden.

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Hier kommt der Text aus dem Stil-Magazin …

Sich anzuziehen wie in den 1940er Jahren ist die Passion von Julia Marx. Die Zürcherin kleidet sich nicht nur Sonntags zu.

Bezüglich dessen, was „normal angezogen“ bedeutet, verschieben sich bisweilen die eigenen Vorstellungen. So geschehen, als ich im Dezember die Filmwissenschaftlerin, Lektorin und Publizistin Julia Marx, 41, traf und sie im Park der Villa Patumbah in Zürich fotografieren durfte. Julia Marx kleidet sich im Stil der vierziger Jahre – nicht als Jux oder für einen bestimmten Event, sondern im Alltag. Und wenn man sie so anschaut, denkt man bald: Verglichen mit dieser eleganten Frau kleiden sich die meisten Damen heute „abnormal“, banal und lieblos.

Die gebürtige Münchnerin kam vor 21 Jahren nach Zürich, um zu studieren und ist seither „hängen geblieben“, wie sie sagt. „Eigentlich müsste ich längst Mundart sprechen, aber das klappt irgendwie nicht“, lacht sie. Dafür hat sie sich in den letzten zwei Dekaden gründlich in die Mode- und Stilwelt der 30er und 40er Jahre eingearbeitet. Dafür begeistern konnte sie sich schon als kleines Kind. „Ich habe früher gerne alte Flash-Gordon-Comics aus den 30er und 40er Jahren gelesen, die meinem Vater gehörten – ich fand die Kleider und Frisuren Klasse“, erinnert sie sich.

Dass man den Stil von damals aber nicht nur bewundern, sondern auch tragen könnte, merkte sie, als sie vor ein paar Jahren Leute kennenlernte, die genau dies taten. “Da dämmerte mir, dass es ja nichts und niemanden gibt, der einen daran hindert, sich so zu kleiden“, sagt Julia Marx. Die Basis ihrer eigenen Garderobe fand sie in Grossmutters Nachlass. Alles weitere suchte sie im Internet, auf Sammlerbörsen, auf Flohmärkten oder auch auf Events, an denen sich die Szene trifft. „Heute habe ich eine ziemlich vollständige Garderobe für jede Jahreszeit und jede Lebenssituation – vom Nachthemd bis zum Abendkleid“, sagt Marx. Zwar sei sie nicht der Meinung, dass früher alles besser war, aber „vieles war anders, und einiges gefällt mir persönlich besser.“

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Julia Marx weiss zu jedem Stück eine Geschichte zu erzählen. Das grüne Tweed-Kostüm ist ein Original aus der Kriegszeit in England, das den damaligen Vorschriften betreffend Stoffrationierung entsprach und sogar ein entsprechendes Etikett hat. Auch der gestrickte Pullunder ist ein Original – „Ich kenne eine Kunststopferin, die alte Sachen so gut repariert, so dass man die Schäden fast nicht sieht“, sagt Julia Marx. Den Hut hat sie einer Bekannten abgekauft, die Stiefeletten (von Bally) und die Ohrringe hat sie auf der Schatzalp bei Davos gefunden, die Tasche mit geflochtenen Henkeln auf einer Sammlerbörse in Wettingen. Die Pelzstola ist ein Erbstück aus Grossmutters Nachlass, ebenso die Wollstrümpfe aus der Zeit – „Meine Grossmutter war wahrscheinlich eine Strumpffetischistin, sie hat mir Berge davon hinterlassen, teilweise ungetragen.“ Nur Julia Marx’ Bluse ist eine Reproduktion von Century Style aus Langenthal.

Und wie fühlt sich das an, so als Zeitreisende aus einer anderen Epoche gekleidet zu sein? „Der Tragekomfort ist sehr gut“, erklärt Julia Marx, „So anders als heutige Kleidung kommt es mir gar nicht nicht vor. Aber vielleicht liegt es auch daran, dass ich nie im Freizeitlook oder mit Sneakers herumspaziert bin.“ Zwar habe sie eine Jeans, aber: „Ich trage sie kaum je, denn sie sind deutlich unbequemer als ein klassisches Kostüm.“

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