A new Style for Business

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Ende August hatte ich das Vergnügen, am Wirtschaftsforum Südostschweiz in Chur einen kleinen Speech zum Thema «Entwicklung der Business-Garderobe – gestern, heute und morgen» zu halten. Es ging um die Frage, wohin sich die Dresscodes in Sachen Arbeitsbekleidung entwickeln – und auch um die Frage, ob das Erscheinungsbild in der Wirtschaftswelt tatsächlich matchentscheidend sei?

Die Antwort ist diese: Es ist zwar sicherlich nicht matchentscheidend, wie man aussieht und angezogen ist, aber es kann ganz gewiss helfen. Wenn jemand einen überzeugenden Auftritt hat, also mit seiner Garderobe, Wesensart, Figur und Frisur im Einklang scheint, so ist man vermutlich eher gewillt, ihr oder ihm Konzepte, Ideen oder Produkte abzukaufen. Natürlich müssen aber der Inhalt und die Substanz von Produkten, Botschaften und Entscheidungen genauso gewinnend sein.

Allerdings geht es dem Anzug zunehmend an den Kragen: Die Leute arbeiten lieber in Jeans und Pullovern statt mit Hemd und Jackett.Dagegen kann man wenig tun – und man muss es auch nicht, denn die aufgelockerten Kleiderordnungen entsprechen unserer Zeit, die vom Individualismus geprägt ist. Dennoch ist die Verachtung der Klassik ein bisschen bedauerlich, denn die klassische Garderobe wurde von vielen Generationen von Schneidern dazu entwickelt, die meisten Menschen mit Hilfe von Stoff und Schnitt besser aussehen zu lassen. Sie kann körperliche Abweichungen korrigieren, Proportionen harmonischer erscheinen lassen und Mangelzustände in der Fitness kaschieren.

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Ist die Klassik tot?

Doch die Klassik stellt sich den Herausforderungen. Die Vorstellung davon, was «ordentlich angezogen sein» bedeutet, ist, wie alles in dieser Welt, im stetigen Fluss. Fotos von Businessmeetings vor 50 Jahren sehen hoffnungslos steif und veraltet aus. Auch die achtziger Jahre wirken schon von vorgestern. Und die Entwicklung geht stetig weiter. So gibt es heute auch in der Businessgarderobe Elemente, die man vor fünf Jahren noch als sicheres «No-Go» angeschaut hätte. Anzüge ohne Krawatten etwa – das galt mal als halbfertig angezogen, jetzt ist es normal. Oder T-Shirts zum Jackett.

Das Zauberwort der Stunde heisst «Smart Casual» Es bedeutet: lässig – aber nicht nachlässig. Gemeint ist eine Art entspannte Klassik, in der die wichtigen Merkmale der traditionellen Garderobe (Hemd, Hose, Jackett, Krawatte) weiter existieren, jedoch aufgelockert sind. In der Geschäftswelt wird «Smart Casual» immer mehr zum Standard. Statt Anzüge trägt man freie Kombinationen aus Jackett, Hemd und Hose bzw. aufgelockerte Varianten des Anzugs und des Kostüms. Der beliebte Hybrid- Dresscode Smart Casual verbindet Nützliches mit den Angenehmen, sprich: Er schlägt einen Mittelweg zwischen Business- und Freizeitbekleidung vor. Damit sich auch traditionelle Unternehmen ein bisschen New-Economy-Flair geben können. So dass man ohne Umziehen vom Meeting zum After-Work-Drink wechseln kann.

«Smart» meint «schlau» und bezieht sich auf den legeren Look der zeitgenössischen brainworkers, der jungen Menschen, die in Cafés vor ihren Laptops sitzen statt im Grossraumbüro. Man will so clever und erfolgversprechend wirken wie einer, der kraft seiner Ideen nach ganz oben kommt, nicht seines teuren Anzugs wegen.

Wohin geht die Reise?

Wagen wir einen Ausblick – wie könnte sich die Businessgarderobe in naher Zukunft entwickeln? Wird es vielleicht eine Renaissance der Klassik geben, so wie man es manchmal liest? Dass wir plötzlich wieder alle Anzüge und Krawatten tragen – und die Frauen Kostüme mit Pumps? Ich halte das für Wunschdenken. Wahrscheinlich geht es in die andere Richtung: Businessmeetings in Unisex- Jogginganzügen sind nicht mehr weit weg, wir werden das noch erleben.

Die Klassik lernt von der Sportswear. So haben viele Hemden bereits Stretch-Beimischungen oder sind aus technischen Stoffen gefertigt, die Anzüge sind auch so leicht und dehnbar wie nie, und manche sind auch bereits aus denselben Stoffen genäht wie Jogginganzüge. Dann braucht es eigentlich nur noch ein paar cooler Sneakers, und man kann nahtlos und ohne umziehen vom Büro zum Fitness. Jetzt müsste man nur noch herausfinden, wie man in Form bleibt, ohne dafür zu schwitzen. Ich bin sicher, dass die Pharmaindustrie schon entsprechende Lifestyle-Angebote in Arbeit hat. Und zwar für Männer und Frauen. Oder vielleicht sagt man in Zukunft einfach geschlechts-neutral bzw. «gender-fluid»: Für Menschen? Denn auch das ist eine Konstante der jüngeren Modegeschichte: Mann und Frau gleichen sich äusserlich immer mehr an.

Bonusfoto unten: Der ausgesprochen charmante «Aufenthaltsraum» in der Churer Stadthalle, in dem die Speaker des Wirtschaftsforums sich auf ihren Auftritt vorbereiten konnten … 😉

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