Ist es okay, wenn man bei Coop jetzt geduzt wird?

Version 2

Heute im „Hintergrund“ der „NZZ am Sonntag“ in der Rubrik „Nachgefragt bei“: Die Stilfrage, ob es in Ordnung ist, dass das Personal von Coop-to-go-Läden seine Kunden jetzt mit Du anspricht. Meine Meinung nachfolgend:

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Diese Woche meldete die «Coop-Zeitung», dass die Mitarbeiter der Fressfilialen «Coop to go» ihre Kunden grundsätzlich mit Du ansprechen. Für die einen – vornehmlich jüngere Kunden – sei das die normalste Sache der Welt, war zu lesen. Doch vor allem ältere Kunden, also Menschen über 50, hätten eine gewisse Skepsis gegenüber Verkäufern, die sie duzen. Man habe dafür aber «Antennen» entwickelt, um zu merken, wann das Du unpassend sei. Das scheint vernünftig. Wenn es denn funktioniert.

Die Möglichkeit, Menschen wahlweise zu siezen oder zu duzen, gehört zu den Eigenheiten der deutschen Sprache und ihrer Dialekte. Es ist eine feine Unterscheidung, die man damit macht – und letztlich auch ein Stück Anstand und Höflichkeit. In der Regel siezen sich erwachsene Menschen, die einander nicht kennen. Es schafft Raum. Zum Du greift man erst, wenn man sich etwas besser kennt, bzw. manchmal auch, um bewusst jemandem zu nahe zu treten, etwa bei verbal ausgetragenen Konflikten. Unflätigkeiten schleudert man seinem Gegenüber in der Regel in der Du-Form entgegen.

Coop will seinen Beschluss als Charme-offensive verstanden wissen. Dennoch muss dem neuen Umgangston mit einem gewissen Argwohn begegnet werden. Das Du soll zwar unkompliziert und urban wirken, doch gibt es auch Menschen, die dies als zu kumpelhaft und anbiedernd empfinden. Das fröhlich-unverkrampft gemeinte Du wird oft auch zu einer kleinen Peinlichkeit, die mit einem klassischen Sie zu vermeiden gewesen wäre.

Es wäre zu wünschen, dass sich Menschen, die diese Art der persönlichen Annäherung nicht goutieren, sich gegen die pauschale Ansprache per Du wehren. Nicht mit Beschwerden, sondern feiner. Etwa, indem man die Coop-to-go-Mitarbeiter beharrlich zurücksiezt. Vielleicht trägt ein solcher Akt des individuellen Widerstands dazu bei, auch in anderen Lebensbereichen etwas Charme, Form und Contenance zu wahren?

*Jeroen van Rooijen ist Stilkritiker bei der «NZZ am Sonntag».

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1 Comment

  • Antworten August 22, 2016

    f@bluewin.ch

    Wie bieder Jeroen. Passt aber zu dir.

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