We are raising our glass

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Es gibt Menschen, die haben einen Job oder eine gesellschaftliche Position, die es für gewisse Marken und Dienstleister interessant scheinen lässt, sich mit ihnen zu assoziieren. Diese Menschen werden deshalb immer wieder mal gefragt, ob sie nicht zu diesem oder jenem Zirkel dazu stossen möchten – natürlich ohne Verpflichtung, nur aus Spass an der Sache, bar jeder Bringschuld. Das könnten Einladungen zu Events und Empfängen sein – oder auch Mitgliedschaften in mehr oder weniger klandestinen Zirkeln, in denen sich Gleichgesinnte austauschen.

Kommt Ihnen bekannt vor? Früher nannte man sie Opinion Leader oder Meinungsmacher, heute auch Influencer. Auch wenn mir scheint, als gäbe es in diesen Zeiten der Hochkonjunktur und des Überflusses mehr solcher Figuren, als es noch unentschlossene Menschen gibt, die man beeinflussen könnte. Wer will, kann sich heute sich jeden Abend irgendwo mit Influencern die Nacht um die Ohren hauen und mit ihnen Insta-Stories posten. Immer ist irgendwo ein besonderer Moment zu feiern, ein unvergesslicher Abend zu begiessen. There’s so much to celebrate!! OMG!

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Ständig ist irgendwo Rambazamba, permanent wird irgendwo fotogen herumgestanden. Manche verdienen mit diesem Herumstehen sogar Geld, doch dazu braucht es einige Zehntausend Follower auf Social Media. Wenn man dann dort so steht, plaudert man nach links, nach rechts, nach vorne und nach hinten. Auch wenn man zwischen den einzelnen Terminen gar nicht so viel erlebt hat, als es zu smalltalken gäbe. Man muss also a) sich wiederholen oder b) heisse Luft plappern, um den ganzen Event-Marathon einer Saison einigermassen eloquent zu bestreiten.

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Diese Woche war ich an einem solchen Abend – allerdings ein kleineres Kaliber. Mutmasslich auch ohne bezahlte Meinungsmacher. Es war eine Veranstaltung der „Artistic Society“, einem „Geheimbund“ von Personen aus der Kreativwirtschaft, die der Champagnerhersteller Perrier-Jouët (gehört zu Pernod-Ricard) um sich geschart hat. Diese „Society“ wird hin und wieder zusammentrommelt, um an besonderen Orten ein paar Flaschen des sprudelnden Luxusgetränks zu geniessen. Wir hatten selber schon Gelegenheit, davon zu profitieren – PJ kredenzte im Frühling 2018 den Champagner zur Wiedereröffnung nach dem Umbau im „Cabinet“. Vor Jahren war ich auch Mitglied eines ähnlichen Clubs des Gin-Labels Hendrick’s (W. Grant & Sons), der schräge Verein hiess „Curiositorium“ und hat sich irgendwann in Luft aufgelöst.

Der erwähnte Abend – es war notabene ein Montag! – begann im Zürcher Seefeld in einer Galerie mit dem bedeutungsvollen Namen „The Brand New World Salon“, wo vier Skulpturen des Westschweizer Designers Nicolas Le Moigne gezeigt wurden. Die wohlproportionierten, glatt polierten Messing-Objekte hatten die verschiedenen Geschmacksebenen des Champagners zum Thema. Da ging es um mineralische Noten, um die Chardonnay-Trauben, um die Frucht-Aromen in der Nase und das blumige Bouquet des Champagners. Natürlich gab es ebendiesen zu trinken – Blanc de Blanc, aus der neuen Flaschen von PJ.

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Mit einem Bus dislozierte die Truppe, total zirka 40 Personen, dann zum Fifa-Restaurant „Der Sonnenberg“, wo ein Dinner stattfand. In einem transparenten Tunnel aus Plexiglas nahm man Platz, mit Blick auf das nächtlich funkelnde Zürich, derweil Amuse-Bouches, roher Fisch, Jakobsmuscheln, Rindsfilet, Foie Gras und Birnenkuchen gereicht wurden. Zu den Gängen gab es abgestimmt jeweils einen anderen Champagner. Alles sehr kostbar, ausgesucht und verfeinert. Zwischen den Etappen erzählte der Kellermeister von Perrier-Jouët, was wir gerade gereicht bekamen.

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Man hätte diesen Abend sehr geniessen können. Aber: In der Plexi-Röhre war die Akustik derart haarsträubend, das man vor lauter Geschnatter, Geplapper, Gelächter und Geklirr fast einen Hörsturz bekam. Der Lärm war konstant. Man konnte sich kaum auf seinen Sitznachbar konzentrieren, geschweige denn ein Gespräch mit der Person gegenüber anfangen. Nur zwischendurch, wenn ein Gang gereicht wurde, sank der Lärmpegel kurz, um dann aber nach jedem Glas noch lauter anzuschwellen.

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Ich habe an dem Abend nette Menschen getroffen, köstlichen Champagner getrunken und ein bisschen etwas gegessen. Aber ich habe auch bemerkt, dass ich für solche Art der Freizeitgestaltung immer weniger geeignet bin. Es kostet mich zu viel Energie. Noch vor dem letzten Gang griff ich also meine Tasche, meinen Mantel und verabschiedete mich hastig, um den vorletzten Zug nach Hause zu erwischen. Den letzten will man ja nie nehmen. Und wie ich den Zürichberg runter Richtung Tram eilte und meine Schritte wieder hörte, dachte ich: Schäbig von mir, so abzuhauen. Sorry, PJ. Aber ich merkte, als der Bass des Abends verstummt war und in der kühlen Luft  tief in mich reinhörte, dass ich fast ein bisschen event-müde bin. Vielleicht sollten wir seltener, stiller und weniger fancy feiern?

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1 Comment

  • Antworten November 20, 2018

    stephan meyer

    Um Gottes Willen, das hört sich ja an wie vor 20 Jahren in München :-)) Jakobsmuscheln und Foie Gras, oh je! Ich war auf zu vielen Events dieser Art und habe beschlossen, einfach nicht mehr hinzugehen, besonders dann nicht, wenn es sich um ein Seated Dinner handelt. Ich kenne genau das befreite Gefühl, wenn man endlich wieder draußen ist, wunderbar! Das komische ist, daß ich außerdem glaube, daß es auch Perrier-Jouet nicht wirklich etwas gebracht hat, egal, was die Influencer posten!

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