We think about sleeping

20150921_105142_resized_1

Habe die Freude und Ehre, in bester Gesellschaft (Anne-Sophie Keller, Dominique Feusi, Beatrice Schlag, Claudia Schumacher, Wolfram Knorr etc.) eine keine Randspalte „Zeitgeist“ zum neuen Kulturmagazin „Bonnie & Clyde“ beigesteuert zu haben. Das Magazin, welches sich Herausgeber Benjamin Bögli ausgedacht hat, ist dieser Tage erstmals erschienen. Die Unterzeile heisst „Kultur mit viel scharf“ und steht für den Anspruch des Heftes, „mehr Vielfalt in die hiesige Kulturberichterstattung zu bringen“ (Editorial B.Bögli). Das Magazin will „Hochkultur, Unterhaltung, Liebe und Sex auf hoffentlich inspirierende Weise vereinen.“

20150921_105158_resized_1

Wir haben jetzt einfach mal die Unterlage geliefert, auf der diese Marriage der Disziplinen hoffentlich fruchtbar vonstatten geht: Die Matratze, auf der Kultur und Erotik sich vereinen mögen. Es geht um den Futon – man erinnert sich? Die karge Schlafunterlage war mal schwer in Mode, doch heute gelten andere Typen von Matratzen als Nonplusultra. Hier der Text zu dem Thema:

Alles ist dem Wandel der Mode unterworfen. Auch unser seliger Schlaf. Nicht nur die Dauer des Schlafs – unsere Grosseltern brauchten acht Stunden, der Börsenheld der achtziger nur drei, der moderne Hipster etwa zwölf –, sondern auch die Bettstatt, auf der wir unsere müden Glieder ausruhen und neue Kraft tanken.

Ende der achtziger Jahre, die Japaner gaben auf den Laufstegen den Ton an, musste auch das Schlafen dem Ideal eines modernen Minimalismus entsprechen. Entsprechend rannten die Leute in die japanischen Schlaf- und Tatami-Center, die damals in allen Ecken der westlichen Welt aus dem Boden schossen und wo neben Reispapierrollos und feinen Teeschalen vor allem Futon-Matratzen erhältlich waren, die etwa so flach wie eine Reiswaffel und hart wie eine Gipsplatte waren. Diese Matten legte man auf tief sich am Boden duckende, ebenso schlichte und harte Bettgestelle.

So schliefen wir etwa zwanzig Jahre lang, bis sich allmählich die Erkenntnis einstellte, dass diese Art von japanischen Betten nicht nur hart und unbequem, sondern auch der Gesundheit des für gewöhnlich etwas zu dicken Westlers abträglich sind. Manch Hüft-Liegeschaden oder chronischer Bandscheibendefekt sorgten für einen Wandel des Schlafideals. Und seither spriessen überall eine Sorte von Betten-Centern, die das exakte Gegenteil des Futon-Ideals propagieren. Auf deren extradicken Federkernmatratzen, zusätzlich mit weichen Toppern gedämpft, dämmert man superweich ins Lande der Träume, wo man von englischen SUVs, extraklobigen Céline-Taschen und schweren Balenciaga-Lederjacken fantasiert.

Die neuen Luxusmatratzen – natürlich zeitgeistkonform aus lokaler Produktion und mit nachhaltigen Rohstoffen gefüllt – kosten, wie damals die Futons auch, ein Vermögen. Etwa so viel wie für einen ordentlichen Kleinwagen blättert man für diese Superdickmatratzen hin. Die karierten aus Schweden sind wohl die teuersten. Um so eine Matratze zu erwerben, braucht man ausserdem gute Freunde. Denn im Gegensatz zum Futon, den man lässig zusammenrollte und wippenden Schrittes heim ins Schlafgemach trug, muss man die neuen Kolosse mit Hilfe von kräftigen Gehilfen nach Hause wuchten.

Dick oder dünn ist also nur eine Frage der Mode. Nur das Argument der Verkäufer, die einem gute Summen für sehr unterschiedliche Schlafunterlagen abknöpfen, ist dasselbe geblieben: Man verbringt immerhin einen Drittel seiner Lebenszeit schlafend. Da sollte einem die Matratze doch schon etwas wert sein?

 

20150921_105209_resized_1

Be first to comment