Allez, les Suisses

DSC_8388

„Gipfeltreffen“ ist gewiss kein zu grosses Wort für das, was gestern Montagabend, 21. September 2015 in der Halle 9 in Zürich-Oerlikon stattfand: die achte Ausgabe der Mode Suisse. Die Förderplattform für Schweizer Modedesign vereinte auf – und neben – der Bühne fast alles, was in der Alpenrepublik modisch von Relevanz ist. Das ist naturgemäss nicht mit New York, London oder Mailand zu vergleichen, wo gerade internationale Fashion Weeks stattfinden, aber es war reif. Und motiviert.

Zusammengetrommelt hatte die neun Designer der nimmermüde Mode-Suisse-Impressario Yannick Aellen. Er fokussierte für diese Ausgabe seiner Plattform auf eine kleinere Anzahl von Namen – es tat der Sache gut. Neun Kollektionen sind ein Mass, das in einer einzigen Schau noch gerade erfassbar ist, ohne das Publikum zu strapazieren. Aellen machte seine Sache hervorragend: Im Gegensatz zur letzten Mode Suisse, die eher unter dem Veranstaltungsort (Kongresshaus Zürich) litt, war die elegante Halle 9 ideal, wenn auch eher gross genug für das, was die Designer zu zeigen hatten. Ein dickes Kompliment auch für Licht, Choreografie, Musik und Setting. Diese Bühne wird übers ganze gesehen immer professioneller, stimmiger und zielführender.

Die Mode Suisse begann dieses Jahr schon fünf Stunden vor der Show, und zwar mit einem Showroom im Foyer des Veranstaltungsortes und einem anschliessenden Podiumsgespräch, bei der Moderatorin Christina Duss (Sonntags-Zeitung) einem Panel von Experten Ideen zur besseren Vermarktung und Lobby-Tätigkeit der Schweizer Modemacher zu entlocken versuchte. Es war leider zu kurz, summarisch und trotz der Länge des Gesprächs zu punktuell, was rüber kam. Die knackigsten Voten schleuderte – als „Externer“ vielleicht nicht überraschend – der in Berlin lebende Autor und Netzwerker Joachim Schirrmacher in die Runde.

 

Die Show kurz vor acht Uhr eröffnete das Duo Huber Egloff. Andreas Huber und Raul Egloff-Alcaide haben ihre Firma vor nicht einmal drei Jahren gegründet, gehören inzwischen aber fast zur „Design Royalty“ des Landes. Sie haben viel gute, auch internationale Presse und entwerfen eine Kollektion, die erwachsen, klar und erkennbar ist. Das Thema der Kollektion für Frühjahr 2016 war das Universum und wie es andere, ältere Kulturen gesehen haben – aber in sehr abstrahierter, grafischer Form. Für Gesprächsstoff sorgte auch das androgyne Schweizer Model Tamy Glauser, welche die Show eröffnete und mit einem neuen, hellen Kurzhaarschnitt überraschte. Sie ist gerade „Girl of the moment“und sorgt für eine Riesenwelle auf Instagram und anderen Kanälen. Auch das People-Magazin „Glans & Gloria“ des Schweizer Fernsehens befragte gestern das Publikum zu Tami…

 

Nach Huber Egloff stand der Zürcher Lokalmatador Julian Zigerli auf dem Programm. Er enttäuschte seine Fans nicht und bleibt seinem Stil und Duktus treu: Sportiv, easy und mit einem guten Schuss Humor. Reizende Styling-Idee: die kleinen, zarten Sprossen auf den Scheiteln seiner Jungs. Bestes Outfit: Ein heller Canvas-Anzug mit handgemalten „Flecken“, welche die Proportion der Kreation unterstrichen. Die Taschen waren auch gar nicht von schlechten Eltern! Ausserdem hätten wir gerne so einen herzförmigen Brillen-Clip, wenn der in den Handel kommt.

 

Ein recht ordentliches Debut gelang der Perserin Lida Nobakht aus Kilchberg mit ihrem Label Lida Noba. Sie ist relativ neu in der Schweizer Szene, obwohl die 1977 in Teheran geborene und ausgebildete Frau seit zehn Jahren Haute Couture macht. Die Farben ihrer Kollektion waren schön, der Look wirkte feminin, entspannt und durchdacht – wenngleich vielleicht ein Funken Provokation und Überraschung fehlte.

 

Das Intermezzo der HEAD in Genf (Haute Ecole d’Art et Design) war weniger spektakulär als in anderen Saisons, aber dennoch sehenswert: Die Taschenkreationen, präsentiert auf weissem Denim, ergaben ein stringentes Bild der schulischen Experimente.

DSC_8234

 

Die Halbzeit der Mode Suisse Edition 8 markierte die Show unseres persönlichen Favoriten: Sandro Marzo. Was der Basler zeigt, ist sehr komplett und stellenweise auch sehr komplex. Es ist ein klerikal-futuristischer Dark Chic, wie man ihn von Rick Owens oder avantgardistischen Asiaten kennt, und es kann gut mit diesen Referenzen mithalten. Diese Männerkollektion enthält vieles, was die Männermode derzeit spannend macht: Neue Stoffe, Proportionen und eine neues Volumen, das die klassischen Gender-Stereotypen hinter sich lässt. Klar, dass sich nicht jeder Laie „Männer in Damenkleidern“ vorstellen kann. Aber wer auch nur ein bisschen den Blickwinkel auf internationale Laufstege weitet, der sieht, dass Marzo die richtigen Register zieht. Das einzige, was Marzo vielleicht im Wege steht, ist seine relativ direkte, manchmal überaus ehrliche Art – er ist nicht der Sonnyboy und Sympathikus, den Julian Zigerli abgibt, aber mit Sicherheit technisch und formal sehr talentiert.

 

Die Kollektion des noch sehr jungen Duos Stein-Rohner spielte mit dem Thema Unterwasser-Welten – das Thema hiess „Relieve the Reef“. Tatsächlich clever, wie die zwei Designerinnen mit textilen Mitteln und Kunststoffen den Effekt von Algen oder Korallen nachbildeten. Es kamen Stoffe von Jakob Schläpfer und Drucke von Mitlödi zum Einsatz. In der Summe für unseren Geschmack aber noch etwas zu ge- oder versucht.

DSC_8312

 

Die grösste Überraschung des Abends kam von der gebürtigen Kosovarin Flaka Iahai. Die in London am Central Saint Martins College ausgebildete Designerin hat in ihrer Heimat eine komplette Kollektion aus schwarzem und weissem Baumwollgarn häkeln lassen, die sowohl als Bühnenstück wie als kreative Leistung überzeugte. Sie knüpft damit an ihre „Pompon“-Kollektion an, mit der sie diesen Herbst für den Rado-Preis am Designpreis Schweiz nominiert ist.

 

Den Berner Menswear-Designer Adrian Reber sah man schon in stärkerer Verfassung als gestern – allerdings ist sein Kernthema, der kompetente Strick, mit einer Sommerkollektion (Inspiration: Riviera in den 50s) wesentlich schwieriger darzustellen als im Winter. Dazu kommt: Reber hat seinen Day-Kob als Knitwear-Designer bei Boss im Tessin an den Nagel gehängt und ist nach La Chaux-de-Fonds gezogen, wo er an der Ecole d’Arts Appliqués unterrichtet. Anschauen, auf dem Radar behalten und pflegen muss man diesen Designer aber auf alle Fälle, denn Adrian Reber weiss, was am Markt auch funktioniert. Seine Kollektion ist verkäuflich und smart. Cooles Accessoire: Der Original-Baywatch-Rettungsschwimmer…

 

 

Den Abschluss der Mode Suisse Edition 8 machte das Zürcher Seidenhaus en Soie, welches auf eine lange Familiengeschichte zurückschaut und in den letzten Jahren von der jungen Anna Meier sehr schlau neu positioniert wurde, ohne mit der Vergangenheit zu brechen. Die einst etwas tantigen en-Soie-Spezialitäten wirken dank ihrem Einsatz und ihrem Geschick, Zeitgeist tragbar zu machen, wieder frisch und auch sehr verkäuflich.

Allez, les Suisses!

 

Und hier, als kleiner Bonus-Track zur Mode Suisse Edition 8, noch die Fotos aller beteiligten Designer während ihrer „Ehrenrunde“ in der Halle 9!

Be first to comment