Digital Detox (3/40)

Zeit-Foto

Unfassbar. Erst die dritte von vierzig Leistungsstufen gezündet und schon meldet sich das Gefühl, doch bereits alles getan zu haben und nicht recht zu wissen, wo es jetzt weiter geht. Das kann nicht sein. Wir müssen einfach weiter daran arbeiten! Detoxing on. Drei interessante Erkenntnisse diese Woche:

1. Die Leute reagieren. Viele zustimmende Reaktionen aus dem Umfeld deuten darauf hin: Digitale Überlastung ist weit verbreitet, der Wunsch nach einer wirkungsvollen Gegenoffensive auch. Viele sagen, ähnliches zu empfinden und nicht zu wissen, wie damit umgehen. Es ist, wie wenn eine neue Droge von uns Besitz ergriffen hätte. Alle wissen, dass wir abhängig sind, alle strampeln dagegen, doch mit möglichst grosser Beiläufigkeit. Dabei ist digitaler Dauerbetrieb gewiss etwas, das uns früher als Generationen vor uns ins Grab bringen wird. Ohne dabei etwas von bleibendem Wert hinterlassen zu haben. Deswegen: Wir suchen weiter. Und bauen weiter digitales Rauschen ab.

2. Facebook ist eine perfide Trickkiste. Facebook hat schon gemerkt, dass ich dabei bin, Freunde abzubauen. Von über 2000 runter auf 1950. In 38 Wochen sollen es nur noch 1000 sein. Ich habe also in den letzten Wochen zwei Mal 25 „Freunde“ gelöscht, die mir fremd waren, unsympathisches Zeug von sich gaben oder schlichtweg inaktiv waren. Aber nun schlägt mir Facebook neuerdings mit einiger Aggressivität neue Bekanntschaften vor. Die Folge: Zehn neue Kontakte sind dazu gekommen, der Effekt des geplanten Digital Detoxing wird also bereits gedämpft.  Da gibt es nur eines: Ich werde meine „Freunde“ bitten, mich zu löschen. Stand heute: 1962 Kontakte. Ich werde heute darum bitten, mich zu löschen, wenn ich nicht interessant oder zu missionarisch bin. In einer Woche wissen wir, ob es funktioniert hat. By the way: Die Idee kommt von Ex-Facebook-Freundin Hanna W., die ich kürzlich traf und sagte, dass sie mich spontan gelöscht hätte, als Beitrag zu meinem Digital Detoxing. Das fand ich erfrischend und sympathisch.

3.  Wir müssen mehr lesen! Wahrscheinlich bin ich ein alter Analog-Dinosaurier, aber ich merke in jüngster Zeit, dass mich gut bedrucktes Papier von den digitalen Psychotrips runter holt. Ein gutes Buch, klar – aber auch eine gute Zeitung! Die deutsche „Zeit“ macht derzeit alles richtig. Eine moderne, komplette, durchdachte und reflektierte Zeitung mit viel Tiefgang und Reflexion. Kein Gehechel. Ausserdem ein ganz tolles, fast jedes Mal lesenswertes Magazin. Diese Zeitung habe ich abonniert, es ist die einzige überhaupt – und  ich freue mich jedes Mal, wenn sie kommt. Zwar steckt, wie heute halt leider üblich, auch immer viel unschöner Beilagen-Mist drin, den man gar nicht anschaut, sondern sogleich wegwirft, aber das Grundangebot der „Zeit“ ist super. Für mich zumindest. Und es lässt mich immer wieder mal gedankenverloren lesen, statt mal schnell zu schauen, was online so „läuft“. Diesen Effekt haben die immer kurzatmigeren Tageszeitungen bei mir leider nicht: Ich werde nur noch nervöser, weil ich nur noch Informations-Bruchstücke statt Substanz bekomme.

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